: DIALEKTIK, WIE SIE IM BUCH STEHT
■ Stellungnahmen von Besuchern der Ausstellung „40 Jahre DDR“ im Meinungs-Mix
Seit der Wende liegt am Eingang der Abteilung zur antifaschistisch-demokratischen Umwälzung 1945-1949 ein dickes Buch, dessen bis dato nicht ganz reinweiße Seiten gemäß der Aufforderung der Abteilungsleitung, Kritik, Anregungen etc. zu vermerken, zur Zeit heftig beschrieben werden. Auszüge aus diesem neu entstehenden Geschichtsbuch:
In der Hoffnung, daß die DDR nicht geschlachtet wird, denn sie hat ihre eigene Geschichte, eine Geschichte, die Stolz und Leid vereinigt, trotz allem Hoffnung. Diese Ausstellung macht es deutlich.
Februar, N.N.
Diese Ausstellung soll so bleiben. Trotz aller zukünftigen Veränderungen in der DDR.
2/90, N.N.
Diese „Ausstellung“ beweist all das „Falsche“, wie wir es im Westen immer gehört haben.
3/90, Th. H., Heilbronn
Eine objektive Schau über die Arbeiterbewegung. Schade, daß die Bonner Kapitalistensäcke alles einstecken werden.
Januar, N.N.
Bewahrt dieses Museum als Dokument für die Geschichtsverfälschung unter dem „Sozialismus“.
Februar, N.N.
Das finde ich alles sehr schön. Das muß immer so bleiben. Nie wieder Einzelparteien für die Reichseierkarte.
Februar, N.N.
Wie lange soll den Menschen durch diese Ausstellung noch Sand in die Augen gestreut werden?
26.3., N.N., Stralsund
Bitte lassen Sie die Ausstellung so, wie sie jetzt ist! Jetzt hat jeder seine Dokumentation - und Vergleiche sind auch Geschichtsstudium.
22.3., N.N.
Eine solche Verlogenheit und Verfälschung ist unerhört! Fragt eure Mütter oder Omas, ob die Russen in Berlin Essen verteilten, als sie hierher kamen...
Oh, ja. Es ist die Wahrheit.
Eine 59jährige Oma kann es bezeugen.
...Sie (die Russen) haben alles - aber auch wirklich alles, was irgendwie transportierbar war, mitgenommen. Von der Behandlung der Menschen - der Zivilisten-Frauen - möchte ich lieber nichts schreiben - es wäre zu grauenhaft!
März, N.N.
Natürlich müßte auch über die Übergriffe durch Sowjetsoldaten 1945 berichtet werden, aber wir müssen aufpassen, daß nicht die „Wendehälse“ künftig ignorieren, was die Sowjetarmee zur Rettung der Berliner getan hat!
21.3.90 R.B. (West-Berlin), der das Kriegs
ende erlebt hat.
Leider waren die fiesen Ost-Klamotten aus den Fifties nicht zu sehen! Nächstes Mal hoffentlich.
März, Ecki
Hervorragende Ausstellung. Wohl die letzte antikapitalistische und antifaschistische Ausstellung vor der reaktionären Wiedervereinigung.
Februar, N.N.
Wenn es noch einen Grund gebraucht hätte, die DDR abzuschaffen, dieses Museum hat ihn geliefert.
März, Robert B., Wien
Wo sind die Kriegsverbrechen der sowjetischen Besatzer?! Mit einem Deutschen Gruß vom Stürmer!
10.3., Ralph L.
Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit! Für eine marxistische Historiographie der deutschen Geschichte.
7.3., N.N.
In diesem Museum der „deutschen“ Geschichte erinnerte eine Tafel an die Ermordung von 6 Millionen Juden. Soll das ein angemessenes Andenken sein? Beschämend!
März, N.N.
Es war schwierig, nicht zu kotzen.
28.2., N.N.
Hoffentlich ist jedem DDR-Bürger klar, daß soziale Marktwirtschaft der Rückschritt ist, d.h. Kapitalismus und damit verbundene 2/3-Gesellschaft. Mit dieser Ausstellung wird dies doch deutlich.
Februar, N.N.
Die gesamte Ausstellung ist nach der marxistischen Stufenfolge Feudalismus-Kapitalismus-Sozialismus aufgebaut. Das ist zu überdenken, ob man die Geschichte auch weiterhin in ein solches starres Schema einordnen soll. Ich fände es gut, wenn man davon Abstand nähme, fast ausschließlich KPD -Parteigeschichte zu schreiben, wenn es um die Darstellung der Weimarer Republik und des 3. Reiches geht. Den „Nationalsozialismus“ kann man glaubhaft nicht darstellen, wenn man immer nur von Widerstand spricht und nicht aufzeigt, wo die Grundlagen liegen, die es Hitler ermöglichten, 12 Jahre die Macht (und das Wohlwollen zumindest oder zumindest die Passivität der Bevölkerung) zu halten. (...) Vergeßt nicht das Motto von Karl Marx (ja, dem!): „An allem ist zu zweifeln!“
5.3., Frauke K., Göttingen
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