piwik no script img

Bonner Wirtschaftsministerium: 1:1 für Löhne „völlig undenkbar“

■ FDP-Vorsitzender Lambsdorff und BRD-Wirtschaftsminister Hausmann lehnen eine Währungsunion bei einem Umstellungskurs von 1:1 ab / Bonner Rezept: „Sprung ins kalte Wasser“ und dann geht's nur noch aufwärts

Berlin (taz) - Eine Umstellung auf West-Mark zu einem Verhältnis 1:1, wie es für kleinere Sparguthaben immer wieder versprochen wird, ist für die Löhne „völlig undenkbar“. Dies erklärte der Sprecher des Bonner Wirtschaftsministeriums, Frantzen, gegenüber der taz. Wirtschaftsminister Hausmann wie der FDP-Vorsitzende Lambsdorff haben seit einigen Tagen darauf hingewiesen, daß das Verhältnis 1:1 nicht beschlossen ist und von ihnen auch abgelehnt wird.

Lambsdorff meinte gestern zur Erläuterung, die Löhne würden im Unterschied zu den Renten nicht staatlich festgesetzt und auch nicht subventioniert. Wenn grundsätzlich Marktwirtschaft eingeführt wird, dann müssen die Betriebe sehen, wie hohe Löhne sie zahlen können - die Löhne hängen also von der Produktivität der Betriebe ab. Wenn Löhne bezahlt werden, die über die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit hinausgehen, müßte der betreffende Betrieb dichtmachen.

Den Bonner Wirtschaftspolitikern dient derzeit das „Primitivauto Trabant“ (Frantzen) als Beispiel für ihre Argumentation. Am Beispiel Trabant könne man sehen, „was passieren würde, wenn die Löhne von heute auf morgen 1:1 umgestellt würden“, sagte auch Lambsdorff: Zu den überhöhten Preisen würde das im Vergleich schlechtere Produkt „einfach nicht gekauft“. Wenn aber der Preis angepaßt wird, dürfte eine 1:1-Lohnzahlung nicht mehr realisierbar sein.

“... ins kalte Wasser“

Der zwischen den beiden CDU-geführten Regierungen vereinbarte Umstellungskurs gilt für den Stichtag der Währungsunion, am Tag danach können dann Lohnverhandlungen mit gewerkschaftlichen oder betrieblichen Vertretungen stattfinden und die neuen Löhne festgesetzt werden. Drastischer als der FDP-Vorsitzende drückte sich der Sprecher des Wirtschaftsministeriums aus. Theoretisch sei denkbar, so Frantzen, daß ein Lohn-Verhältnis 1:1 am Stichtag der Währungsunion festgesetzt wird und am Tag danach die DDR-Betriebe, die dies nicht zahlen können, den Lohn senken. Aus psychologischen und politischen Gründen sei aber eine „Flexibilität nach unten“ kaum vorstellbar. Deswegen sei es sinnvoll, einen möglichst niedrigen, „ehrlichen Kurs am Stichtag“ zwischen den Regierungen auszuhandeln und dann den Betrieben offen zu lassen, um wieviel höher die Löhne angesetzt werden können. Der DDR -Bevölkerung müsse man das erklären etwa nach dem Motto: „Jetzt seid ihr im kalten Wasser, aber es kann nur noch wärmer werden.“

Nicht der Tag X sei entscheidend, sondern der „dynamische Prozeß“ danach. Lambsdorff wies darauf hin, daß es auch um die Schulden der Kombinate und des Staates gehe. Wenn diese Schulden 1:1 übernommen werden müßten, würden viele Betriebe allein deshalb schon „in die Knie“ gehen.

Wirtschaftspolitisch sinnvoll, so der FDP-Chef, sei ein einheitlicher Umstellungskurs. Eine Ausnahme sollte nur bei den Sparguthaben der kleinen Leute gemacht werden. Hier ist aus sozialen und politischen Gründen an ein „großes Entgegenkommen“ gedacht. Die CDU hatte dies vor der Wahl auch versprochen.

Lambsdorff rechnet mit einer zeitweiligen Zunahme der Aussiedlerströme. Dies werde aber auch dann passieren, wenn bei einem 1:1-Kurs mehr Betriebe pleite gehen und die Arbeitslosigkeit steige.

„...und dann kann es nur

noch wärmer werden

Den verschiedentlich genannten Zeitraum von fünf Jahren, in denen die DDR-Wirtschaft aufblühen könne, hält Lambsdorff für realistisch - „wenn es richtig gemacht wird“. Es dürfe aber keine halben Schritte geben.

K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen