Das Schwein in mir oder Frauen auf Fluren - ratlos

■ Frauenwoche am Dienstag / Von eventuell verändertem Denken bis zu wirklichem Lachen

„Die/Der/Das Fremde“ fällt auch aus. Jetzt weiß ich wieder nicht, ob die/der/das Fremde eher erschreckend oder faszinierend oder in mir ist. Also wohin dann? In die „Gnade der weiblichen Geburt“ - über die aktive Mittäterschaft der deutschen Frauen im Nationalsozialismus? Das wollte ich doch schon immer hinterfragt hören, nützt aber nichts, fällt auch aus. Also wohin dann? In den „Blick der weißen Feministin“? Ob „sich der ethnopsychoanalytische Ansatz besonders für eine feministische Wissenschaft“ eignet? Och nee. Also wohin dann? Das Angebot - mit und ohne Ausfall - macht eine ein bißchen ratlos: Wäre weniger möglichweise mehr gewesen und hätte vielleicht mehr Anwesende ergeben? Spekulatiönchen.

Nach kostbaren unentschlossenen Minuten mache ich mich auf die Suche nach dem „Denken, (das) die Richtung wechselt“, wo frau eventuell ihr monokulturell geprägtes Verständnis verändern lassen kann. Und nun ist der Weg zu B 2880 zwar nicht weit, aber nur mit dem festen Willen zum Ziel gepflastert. Flurfrauen kreuzen mit irren und-wenn-ich -nicht-verloren-gegangen-bin-suche-ich-noch-heute-Blicken, ich aber verschwinde endlich glücklich (? ) hinter einer zufällig entdeckten Maueröffnung (B 2880) und falle ungnädig in Stockfinsternis mit Dias. Endlich geht ein Licht an und mir auf, daß die Dia-Mädchen, die wir gesehen und die zu uns vom Band gesprochen haben, aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen. Und wir sollen jetzt zuordnen bzw. gemerkt haben, ob wir überhaupt zuordnen können. Können wir irgendwie nicht, denn türkische und deutsche

Mädchen gleichen sich in ihren Wünschen und Träumen.

Meral Akkent, türkische Soziologin, freiberuflich in Nürnberg lebend, hat sich in dieser Veranstaltung vorgenommen, uns unsere selektive Wahrnehmung bewußtzumachen, also „den eigenen individuellen Kulturzentrismus“. Gebongt; aber die ständige Wiederholung der Tatsache, daß dem so ist, und daß selektive Wahrnehmung auf Subjektivität beruht, und daß es auch unter uns Vorurteile, z.B. von Katholischen gegenüber Evangelen gibt („Speziell bei uns im Frankenland; nein, bei uns in Süddeutschland; nein, bei uns im Rheinland; nicht zu vergessen Norddeutschland“), bringt mich auch nicht weiter sondern frühzeitig an's Buffet, wo darüber nachgedacht werden könnte, warum Frauen ausschließlich gesund essen wollende Menschen sein sollen. Lieber nicht. Auch nicht darüber, warum so viele Frauenwöchnerinnen so prophylaktisch abwehrende Gesichter machen. Es gibt ja noch das genaue Gegenteil: Frauen sitzen sich fremd gegenüber und reden plötzlich miteinander. Auf diese Weise erfahre ich auch, daß der Film „Wie andere Neger auch“ heute statt gestern läuft. Also dahin. Was für eine Überraschung! Da vergißt eine 80 Minuten lang, daß sie hier ist, um sich über die Falschheit der Welt zu empören und ihr inneres Schweinesystem zur Kenntnis zu nehmen.

„Wie andere Neger auch“ , Jahrgang '82, ist eine Spießumkehr: Diana Bonnelamme, Autorin und „Hauptdarstellerin“, hat sich die „Freiheit genommen“, über die Deutschen eine Erhebung zu machen und dies zu doku

mentieren. Freiheit deshalb, weil sie eine Afrikanerin ist, also jenem Personenkreis angehört, der bisher bevorzugtes Objekt obskurer ethnologischer Begierden war. Und wie die Völkerkundlerin den Deutschen auf den Ethno-Zahn fühlt, wie diese plötzlich Beobachtete werden, wie der Konfirmandenunterricht unter dem Stichwort Initiationsritus ganz neue Komik-Qualitäten erhält, wie die ignoranten Studienkollegen der Doktorandin Bonnelame, sabbernd vor Subjektivität, mangelnde Objektivität gegenüber ihren Objekten vorwerfen - werden sie genauso komische Figuren wie die zehn kleinen Filz-Negerlein auf dem Bastvorhang aus der Bastelstunde. Und also lachen wir - vielleicht sogar über das Schwein in dir und meinetwegen auch in mir, und das ist ja schon mal was. Claudia Kohlhas