: Das Feindbild ist bis heute existent
■ „Der ewige Judenhaß“, eine dreiteilige Sendereihe, West 3, 21.55 Uhr
Warum war der Judenstern gelb? Weil die Nazis nicht sonderlich geistreich waren, griffen sie auf den Beschluß eines kirchlichen Konzils von 1215 zurück, wonach jüdische Gläubige einen gelben Flecken als Erkennungszeichen tragen mußten. Die Autorin Christina von Braun weist in ihrer dreiteiligen Dokumentation (die beiden anderen Folgen laufen am 5. und am 12. April) mit einer Fülle von Beispielen nach, daß sich jüdische Feindbilder über Jahrhunderte hinweg ungebrochen zu dem Antisemitismus entfalten konnten, der dann über die Nürnberger Rassegesetze direkt in die Vernichtungslager führte.
Die Suche nach dem Ursprung der grausamen Bilder, die sich in unseren Köpfen festgesetzt haben, geht zurück bis in die Anfänge des Christentums. Ein neuer Glaube, dessen Lehre von dem in Jesus Christus fleischgewordenen Gottes im Widerspruch zur jüdischen Glaubensauffassung des einen unsichtbaren - Gottes stand, schuf sich das Feindbild des Jesusmörders. Was bei der Emanzipation der christlichen Religion dann aus dem unversöhnlichen Gegensatz zum Judentum wurde, klingt nur allzu bekannt, auch wenn es Jahrhunderte zurückliegt: Schikanen, Verleumdungen, Pogrome. Assoziationen werden automatisch geweckt, Bilder des Grauens in den Konzentrationslagern drängen sich auf.
Immer wenn im Film Symbole des Antisemitismus auftauchen, die auch bei den Nazis eine Rolle spielten, wird ein Dilemma deutlich, dem kaum auszuweichen ist: etwas zu erklären, das nicht zu erklären ist. Die Gefahr der Relativierung des Antisemitismus faschistischer Prägung wird noch gesteigert, weil Christina von Braun den simplifizierenden Vergleich geradezu herausfordert, indem sie Redeausschnitte von Hitler einblendet oder auf der Tonspur die menschenbeladenen Waggons gen Osten rollen läßt.
Es wäre sicher zu einfach, das Nachdenken über die Geschichte des Antisemitismus zu verbieten, damit der Judenmord der Nazis nicht verharmlost wird. Zu einfach ist es aber auch, nur offensichtliche Parallelen zu zeigen, die unterschiedlichen Dimensionen zwischen christlichem und nationalsozialistischem Antisemitismus aber auszuklammern.
Wichtiger nämlich als der direkte Vergleich sind die vielfach unausgesprochenen und verdrängten Taten des christlichen Antijudaimus, die für sich genommen ungeheuerlich erscheinen. Indem Christina von Braun neben einem fundierten Abriß der geschichtlichen Hintergründe immer wieder aufzeigen kann, daß dieses Feindbild bis heute weiterexistieren konnte, wird sie dem Filmtitel Der ewige Judenhaß viel eher gerecht, ohne daß er zur Floskel erstarrt.
Wie eisern Tiroler Christen nach wie vor das „heilige Anderl“ anbeten, ein Kind, das nach überlieferten Legenden einem jüdischen Ritualmord zum Opfer gefallen sein soll, enthüllt nicht nur engstirniges Festhalten an alten Bräuchen. Der Bischof, der dem judenfeindlichen Ritual durch ein Verbot ein Ende bereiten wollte, wird überall in Tirol angefeindet, und auch die Amtskirche weiß sich in solchen Fragen nicht immer auf der Seite der Vernunft. In Regensburg läuten noch heute Abend für Abend die Glocken und fordern damit jeden Juden auf, die Stadt zu verlassen. Als Erklärung für die allabendliche Düpierung jüdischer Gläubiger hat die Gemeinde ein gar treffliches Argument: Sie beruft sich auf die Tradition.
Christof Boy
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