: Doppelmoral
■ Zur C-Waffenpolitik der USA
Seit der Wahl Ronald Reagans zum Präsidenten der USA im Jahr 1980 redet man im Weißen Haus von der Notwendigkeit eines weltweiten Chemiewaffenverbots und betreibt zugleich intensiv die Aufrüstung mit neuen binären C-Waffen. Die Strategen konterkarieren damit ihre - richtige - Kritik an der Bundesrepublik und anderen Industrienationen, die Grundstoffe oder Produktionsanlagen für diese Massenvernichtungsmittel an Länder der Dritten Welt liefern. Denn solange die führende Militärgroßmacht der Erde an einem modernen C-Waffenarsenal festhält und dieses auch mit weitreichenden Cruise Missiles einsetzen kann, werden diese Länder auf eine eigene C-Waffenoption nicht verzichten. Weder die Kritik der Demokraten im Kongreß noch Kürzungen des Pentagonbudgets noch die von Bonn und andere engen Verbündeten Washingtons zumindest intern vorgetragenen Bedenken haben die USA bewogen, ihre Doppelmoral aufzugeben.
Die Weigerung zweier US-Chemiefirmen, darunter die Pittsburger Bayer-Tochter Mobay, für die C-Waffenproduktion benötigtes Thionylchlorid an das Pentagon zu liefern, könnte erstmals ein handfestes Hindernis bedeuten. Die Motive für den Verzicht auf lukrative Geschäfte mit dem Pentagon sind keineswegs selbstlos. Die Chemiefirmen haben in den letzten Jahren zunehmend begriffen, daß ihre ständige Erwähnung im Zusammenhang mit Massenvernichtungsmitteln schädlich für das Image ist. Das gilt vor dem Hintergrund der Rabta-Affäre besonders für die bundesdeutsche Industrie, deren inzwischen eingeführte Selbstkontrollmechanismen zum Teil über Bonner Gesetzesbestimmungen hinausgehen und die sich konstruktiv an den Genfer Verhandlungen für ein C-Waffenverbot beteiligt. Sollte Mobay bei seiner Weigerung bleiben und auch weiterhin die volle Unterstützung des Leverkusener Mutterhauses erhalten, könnte dieses positive Beispiel auch die weltweit wenigen anderen Thionychlorid-Produzenten von Lieferungen an das Pentagon abhalten. Die dann entstehenden Probleme bei Produktion binärer Artilleriegranaten könnten zu einer grundsätzlichen Überprüfung von Bushs C-Waffenprogramm durch den US-Kongreß und dessen De-facto-Einstellung durch Mittelkürzungen führen. Damit wäre die entscheidende Blockade für ein Genfer C-Waffenabkommen endlich beseitigt. Der bundesdeutschen Chemieindustrie käme das Verdienst zu, dazu einen großen Beitrag geleistet zu haben.
Andreas Zumach
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