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Nach dem Rauswurf jetzt im Hungerstreik

8.000 Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten mit gefälschten Visa sitzen in Polen fest / Schweden schiebt ab oder verweigert die Einreise  ■  Aus Stockholm Reinhard Wolff

In einen Hungerstreik sind am Dienstag abend mehrere hundert Flüchtlinge im polnischen Swinoujscie getreten. Sie waren nach der Einreise nach Schweden von den Behörden wieder zurück nach Polen abgeschoben worden, da sie angeblich bereits in Polen Schutz vor Verfolgung gefunden hätten und nicht über gültige Visa verfügten. Mit ihrem Hungerstreik wollen sie sowohl auf ihre hoffnungslose Situation aufmerksam machen als auch auf die unmenschliche Behandlung durch die schwedische Polizei. Polen hat sich bereiterklärt, 700 der vorwiegend aus dem Nahen und Mittleren Osten Geflüchteten aufzunehmen.

Ein Sprecher der Hungerstreikenden, ein Arzt aus dem Libanon, berichtete vor schwedischen JournalistInnen in Swinoujscie, daß mehrere Männer und Frauen bei ihrer erzwungenen Abschiebung aus dem schwedischen Ystad geschlagen und mißhandelt worden seien. „Wir wurden belogen“, berichtete er weiter, „man erklärte uns, wir würden mit dem Bus in ein Flüchtlingslager nach Nordschweden gebracht werden.“ Tatsächlich wurden sie in diesem Bus eingeschlossen, auf das Deck der Fähre nach Polen gefahren und mußten dort insgesamt 16 Stunden eingesperrt und ohne Essen und Trinken verbringen, bis sie in Swinoujscie wieder ausgeschifft wurden. Das schwedische Rote Kreuz hat unterdes die Abschiebung, ohne Einzelfallprüfung, scharf kritisiert.

Wenn seitens der schwedischen Polizei auch der Vorwurf von Schlägen zurückgewiesen wurde - es habe nur vereinzelt zu „Zwangsmaßnahmen“ gegriffen werden müssen -, sind die übrigen geschilderten Umstände der Abschiebung nicht bestritten worden. Noch am Dienstag war eine Gruppe von Flüchtlingen - wiederum in Omnibussen eingesperrt - auf diese Weise nach Polen zurückgeschickt worden. Die vorerst letzte Abschiebungsaktion, so die schwedische Einwandererbehörde, weil die polnischen Behörden seit dem Wochenende die Einreise weiterer Personen mit verfälschten Einreisevisa nach Schweden gestoppt hätten.

Das Problem dieser Flüchtlinge ist damit aber keineswegs gelöst. Zwar gibt es keine Anzeichen dafür, daß Polen seinerseits eine Abschiebung der Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer beabsichtigt. Die Republik ist aber ganz offensichtlich auch nicht in der Lage, die Menschen aufzunehmen. Nach Informationen des schwedischen Fernsehens halten sich derzeit mindestens 8.000 Flüchtlinge in Polen auf, die nach Schweden weiterreisen wollen. Die meisten verfügen über - gefälschte - schwedische Visa, aufgrund derer ihnen Polen Transitvisa erteilt hatte. Schwedens Regierung betont, man habe Polen seit längerem klargemacht, daß falsche Einreisevisa nicht mehr akzeptiert würden. In Warschau wird indes darauf hingewiesen, daß man durchaus an einer einvernehmlichen Lösung des Flüchtlingsproblems mit Schweden interessiert gewesen sei. Schweden habe aber einfach und ohne Vorwarnung seine Grenzen dichtgemacht. Am Montag hatte das polnische Kabinett eine Soforthilfe für die Flüchtlinge beschlossen. Sie wurden in leerstehenden Hotels und Ferienunterkünften in Ostseeküstenorten untergebracht. Gleichzeitig erging ein Hilferuf an die UN -Flüchtlingskommission in Genf: Polen sei zwar bereit, die Flüchtlinge kurzfristig zu versorgen, könne sie aber nicht auf Dauer aufnehmen.

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