: Politiker krank, senil und geistig verwirrt
■ Wahrscheinlich keine Prozesse gegen ehemalige Funktionäre / Nur noch zwei frühere Politbüromitglieder der SED in Haft
Berlin (ap) - Die ehemaligen SED-Spitzenpolitiker um den gestürzten DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker werden laut Lothar Reuter, stellvertretender Generalstaatsanwalt der DDR, aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich nicht vor Gericht gestellt. Gegenwärtig werden die Angeklagten, die bis auf zwei Ausnahmen alle aus der Haft entlassen wurden, von einem Ärzteteam untersucht.
Auf Anweisung des Generalstaatsanwalts wird gegenwärtig die Verhandlungsfähigkeit von Honecker sowie den ehemaligen Politbüromitgliedern Günter Mittag, Erich Mielke, Willi Stoph, Horst Sindermann, Werner Krolikowski und Hermann Axen geprüft. Mit Untersuchungsergebnissen wird bis Ende April gerechnet.
Reuter unterstrich, daß die staatsanwaltschaftlichen Sachermittlungen abgeschlossen seien, obwohl Senilität, geistige Verwirrung und Aussageverweigerung dieses in einigen Fällen erschwerten. Erst bei erwiesener Verhandlungsunfähigkeit infolge schwerer Erkrankung würden die Ermittlungen, wie rechtsstaatlich üblich, vorläufig eingestellt werden, sagte Reuter.
In Haft befand sich am Mittwoch noch das frühere Politbüromitglied Günther Kleiber. Der früher im Politbüro für Wirtschaft zuständige Günther Mittag wurde in ein Haftkrankenhaus verlegt. Über eine Entlassung des schwer zuckerkranken ehemaligen Politikers ist laut Staatsanwalt Dieter Plath noch nicht entschieden.
Nach Meinung des stellvertretenden Generalstaatsanwalts Reuter sind „die Leute samt und sonders verhandlungsunfähig“.
Den ehemaligen Minister für Staatssicherheit Erich Mielke etwa nannte Reuter einen „senilen 82jährigen Greis, der Lähmungserscheinungen hat“. Der frühere Ministerpräsident Willi Stoph sei so krank, daß seine Ärzte einen Zusammenbruch befürchten müßten, und Horst Sindermann, der ehemalige Präsident der Volkskammer, sei schwer herzkrank.
Am Montag hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Einstellung der Verfahren gegen ehemalige SED -Politbüromitglieder, darunter Honecker, wegen Hochverrats bekanntgegeben. Die Ermittlungen wegen anderer Straftaten aber laufen weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen