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Sachsens Studenten rebellieren

■ Bleibt vom Aufbruch an den Hochschulen nur noch ein sozialer Katzenjammer?

Diese Frage vereinte am Mittwochnachmittag einige Tausend Studenten vor dem Rathaus der Universitätsstadt Dresden. Zwischen Trümmerfrau und Goldener Pforte verlangten sie nach Mitbestimmung zeitgemäßem Studium, sicheren Wohnheimplätzen, Auswahl der Studienbewerber nach Leistungen. Zentrale Forderungen der Studenten ist die rechtlich fundierte Anerkennung der Studentenräte.

Mit einer Erklärung der Dresdener Studentenräte erhielt der Oberbürgermeister zugleich das Programm für einen Runden Tisch zum Hochschulwesen übergeben. Heiko Schwarzburger, Sprecher des TU-Studentenrates, kündigte einen DDR-weiten Studentenkongreß vom 20. bis 22. April in der Technischen Universität an.

Soviel Zeit haben die Wohnheimprobleme der Dresdener Studenten jedoch nicht. Nach einer Vereinigung mit der BRD nach Artikel 23 würden die Wohnheime den Ländern gehören und alle Zusagen der Hochschulen wären null und nichtig. Es gehen Gerüchte um, daß die 175 Wohnungen in der neuen Mensa der Hochschule für Verkehrswesen, Reichenbachstraße, für eine verfehlte Baupolitik herhalten und an Dresdener Bürger vergeben werden sollen.

„Erstmal Zustände wie in der BRD und dann immer besser werden.“ So zitierte der Sprecher der Hochschule für Verkehrswesen den Präsidenten der Rektorenkonferenz. Die Studenten quitierten mit Pfiffen. Nie wieder wollen sie Marionetten und Bücklinge werden, deshalb, nach Vorstellung der TH-Studenten, wollen sie mit ihren Vertretern an der nächsten Stadtverordnetenversammlung zum Thema Bildung teilnehmen. Studentenräte sollten sich zu einem Zentralbund zusammenschließen und direkt auf Entscheidungen des künftigen Kultusministeriums einwirken können.

Ein Student der Hochschule für Bildende Künste sprach für all die Kommilitonen, die in schwer vermietbaren Wohnungen in der Dresdener Neustadt wohnen. Ihnen stehen nun drastische Mieterhöhungen bevor, wenn nicht wie gefordert die Hochschule wenigstens zwei Häuser in Eigenverwaltung übernimmt.

Oberbürgermeister Berghofer schlug vor, am Runden Bildungstisch ein Hochschulrahmengesetz zu entwerfen. Es sollte bereits zur ersten Volkskammertagung vorliegen. Berghofer gab den Studenten in ihren Forderungen recht, wies aber zugleich darauf hin, daß im Dresdener Rathaus mit dem 6. Mai eine neue Zeitrechnung beginnt. Solange seine Kompetenz reiche, wolle er sich für Dresden als Universitäts - und Kulturstadt einsetzen. Auch Vertreter von Parteien sprachen vor den Studenten.

Professor Bormann (CDU) setzte auf Autonomie der Hochschulen. Genaue Aussagen seien aber erst nach der Regierungsbildung möglich. VL und Grüne Partei appellierten jedoch lieber am die eigene studentische Kraft und forderten erneut eine Legitimation für die Studentenräte.

Herr Jachmann von der DSU pries Bundesdeutsche Gesetzlichkeit. Damit ließen sich auf diesem Platz nur Gegenstimmen gewinnen. Nach der Kundgebung brachten sich die Studenten im Dresdener Zentrum ihren Mitbürgern in Erinnerung.

Vorbei am Open-Air-Intershop auf dem Altmarkt bewegte sich der Zug in die Prager Straße zurück ins Studentenviertel.

D.H.

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