Zahlenspiele-betr.: "Abrüstung nach SPD-Art, taz vom 22.3.90

betr.: „Abrüstung nach

SPD-Art, taz vom 22.3.90

(...) Diese Zahlenspiele verschleiern nur, daß einige tausend Menschen weltweit an den Knöpfen der Massenvernichtungswaffen reichen dürften, der Erde das Ende zu bereiten. Angesichts der drängenden, immensen Probleme, vor denen die Menschheit steht - so die rasant zunehmende Umweltzerstörung und die brutale, Millionen Tote zumindest indirekt, aber auch direkt (Rüstungsexport) in Kauf nehmende Welt-Ausbeutungs-Wirtschaft -, stellt die vorgeschlagene Reduzierung des Kriegsetats um zehn Prozent entweder eine grobe Verkennung der Realitäten oder eine gezielte Ablenkung von diesen wirklichen Katastrophen dar. Eine friedliche Entwicklung der Welt wird so jedenfalls weiterhin verhindert. (...)

Bei einem solchen Verständnis der SPD-FührerInnen von Staat und Militär - das seit über 100 Jahren die sozialdemokratische Ideologie und Geschichte prägt, bezogen sich doch auch schon Engels, Liebknecht und Bebel, im Kontext ihrer Forderungen nach allgemeiner Volksbewaffnung, positiv auf die Wehrpflicht -, ist auch klar, daß eine gesamtdeutsche Nato-Mitgliedschaft nicht ausgeschlossen wird.

(...) Solche Täuschungen können nicht verhehlen, daß es sich bei der „Abrüstung nach SPD-Art“ eben nur um eine Abrüstung zu kleineren, um so effektiveren Armeen geht, jedoch nicht im geringsten um das Infragestellen von Rüstung und Armee. Schade vielleicht, daß diese Politik auch vom einstigen „Friedensfreund“ und erklärten Nato-Gegner Lafontaine unverändert weitergetragen wird. Doch hat da jemand Gegenteiliges erwartet?

AntimilitaristInnen bleibt einstweilen nur die Hoffnung, daß jene 18 Prozent im Lande, die nach einer Umfrage für die Abschaffung der Armee sind (taz vom 21.2.) auch aktiv entsprechende Kampagnen gegen die Wehrpflicht und für eine „Bundesrepublik ohne Armee“ unterstützen.

Zu hoffen auch, daß die Äußerung: „Wir werden sicher mehr“, die von zwei totalen Kriegsdienstverweigerern in der taz vom 2.3.90 leider nur im Hamburger Regionalteil kundgetan werden durfte, von der Wirklichkeit bestätigt wird. Auf das Zeiten anbrechen, in denen kein Totalverweigerer verhaftet und ausgeflogen wird, weder in Berlin noch anderswo. (...) Zeit für einen kräftigen öffentlichen Gegendruck wird's allemal: Am 26. April drohen dem totalen Kriegsdienstverweigerer Andreas Speck vor dem Duisburger Gericht volle 16 Monate Knast. Ministerialdirigent Dietl aus dem Münchener Justizpalast im Rahmen einer Anhörung zum Strafvollzug im Jahre 1984 zu einem solchen Strafmaß: „Da muß man also schon etwas ganz Gewaltiges getan haben.“ - Tatsächlich?

Gerald, Sehnde