TV-Palaver in Gethsemane

■ EINS-PLUS-Fete mit viel schmückender Schriftstellerprominenz

Berlin (taz) - Da saßen sie nun und diskutierten. Über das Fressen und die Moral und was von beiden das Entscheidende ist. ARD-Satellitensender EINS PLUS hatte gerufen und alle, alle kamen und sprachen fleißig mit. Völlig verschraubt Volker Braun, hilflos links Steffen Mensching, allianzwahlkampfmäßig Renate Feyl und Helga Schubert, bitterlich klagend Helga Königsdorf, unkonzentriert lustlos Ulrich Plenzdorf, drastisch Uwe Kolbe, polternd Stefan Heym. Geredet wird viel in diesen Tagen, viel Unsinn obendrein, das ist zu verschmerzen, auch wenn's manchmal schon sehr weh tat. Beim Thema Moral fiel Volker Braun doch beispielsweise die hübsche Anekdote ein, wie er in einem kleinen Restaurant an der französischen Nordseeküste saß und speiste... Wer bisher noch nicht den blöden Spruch draufhatte von den Künstlern, denen es schon immer viel zu gut gegangen sei, bei Braun fiel er ihm ein.

Viel schmerzlicher mußte den sensiblen Besucher der Ort des Kulturpalavers berühren: Prenzlauer Berg, Gethsemane-Kirche. Hier hatten im Oktober die Kerzen gestanden, die den Aufstand beleuchteten, hier hatten sich die gefunden, die noch mutig sein mußten, weil der Staat alle Knüppel noch fest in der Hand hielt. Gut ausgeleuchtet war die Kirche diesmal, im Herbst war sie stets schummrig gewesen. Und nun Star-Moderatorin Hannelore Gadatsch: Man freue sich, den vierten Geburtstag des Kulturkanals EINS PLUS an dieser historischen Stätte begehen zu können... Beim ersten Mal ertrug's das Publikum, als der Spruch am Schluß noch mal kam, gab es lauten Protest.

Aber das ist's jetzt halt: Die historische Stätte im Prenzel Berg, zu der künftig Franzosen, Amerikaner und Japaner aufschauen werden, um im Blitzlichtgewitter staunend zu merken: Also hier haben die Deutschen-Ost damals ihre Revolution gemacht. Nur daß die „Revolutionäre“ heute da nichts mehr zu suchen haben. Nach einer halben Stunde Fressen-Moral-Gerede zogen denn auch die ersten Grüppchen kneipenwärts. Und selbst die Schlußofferte von Frau Gadatsch, man lade alle ein zu einem kleinen Imbiß, der Sender habe doch Geburtstag, konnte nur eine Handvoll Konsumwilliger verlocken.

Den meisten Beifall hatte die ungebrochen trotzig -sehnsüchtige, wunderbare Bettina Wegner, als sie auf die Frage, wie sie denn in die deutsche Zukunft blicke, antwortete: Ick schiele. Und präzisierte: Auf dem einen Auge sehe ich schwarz, auf dem anderen rot.

Da lobe ich mir doch den schönen Optimismus der Renate Feyl, die über die neue deutsche Qualität, die Synthese aus Geist und Macht und die künftige deutsche Mitte Europas orakelte.

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