: Richtung bekannt, Weg unklar
■ Jerry Zeniuk in der Kunsthalle / „Monochrome Exerzitien“ und was danach kommen kann
Hier bitte
den Mann mit
dem Bild
Ein traumhafter Stoff, einer, aus dem die Kunstkataloge und Feuilletons sind, einer, der die RezensentInnen bandwurmartige Sätze und Begriffe des Konnotationsfeldes „forcierte Materialität / naturalistische Referentialität / hypostasierte Lösungselemente“ abzusondern veranlaßt. Es geht um einen Künstler mit interessanter Biografie, einem schlanken OEuvre und innerhalb dessen einer einzigartig konsequenten Entwicklung. Zudem sind die Bilder dieses Mannes Beispiele des radical painting, in ihrer extremen Reduktion mithin mutmaßlich erklärungsbedürftig einem mit Gegenwartskunst nicht gerade verwöhntem Bremer Kunsthallen publikum.
Der New Yorker Maler Jerry Zeniuk hat in der Bremer Kunsthalle seine BRD-weit erste umfassende Einzelausstellung - er war auf der documenta 6 und jüngst in den Hamburger Deichtorhallen zu sehen. Der taz-Rezensent empfiehlt Unbefangenheit. Immerhin ist Zeniuk noch so unavanciert, daß die Kunsthalle über Ankauf nachdenken darf. Man nehme also den opulenten Katalog, lese ihn als „Daumenkino“ und lasse sich erleuchten: Der „Kurzfilm“ zeigt die überaus folgerichtige Entwicklung des frühen Monochromisten der Fünfziger zum Virtuosen der Farbexplosion heute: von der
schieren Farbfläche über deren zarte Auflösung in farbige Flecken zu fast figurativer, durch Hell-Dunkel hintergründiger Malerei. Der Künstler scheint ein Programm zu verfolgen; er selbst schränkt diese Vermutung so ein: „Ich habe eine formale Konzeption für meine Bilder, und diese Konzeption verleiht den Bildern ihre Struktur. Diese Struktur ist jedoch nicht eine Sache, die dargelegt werden kann, um darauf aufzubauen. Sie ist das Ziel, zu dem ich gelangen muß, indem ich male und während ich male. Ich weiß, wohin ich gelangen muß, aber ich weiß nicht, wie ich dorthin komme. Jeder Schritt ist unsicher. Die Gewißheit der einzuschlagenden Richtung ist absolut, der Weg ein Suchen.“
Die Konzeption der Bremer Ausstellung (Ulrike Lehmann) ermöglicht an vielen Stellen der Kunsthalle den Blick auf den ganzen Zeniuk. Beispiel: Vor dem frühen monochromen „Untitled number 5“ stehend, sieht man zugleich sein neues großformatiges, subtropen-farbiges „Untitled number 130“ mit formatfüllenden Farbkörpern, die sich durch hell-dunkel in einem „Raum“ gruppieren. Ein anderes Beispiel: Im Zentralbereich der Ausstellung sind sieben frühe Arbeiten versammelt, die sehr schön die fast zaghaften Veränderungen in der Bildsprache Zeniuks vorstellen. Allesamt technisch aufwendig aufgebaut - eine Pigment-Wachs-Mischung wird auf Leinwand aufgetragen - entwickeln sie sich von monochrom über farbige Mikropunkte zu grün-braunen Fleckenbildern; ein Blick um die Ecke zeigt, wohin
das führt: zu verwehten tarnnetzartigen Strukturen. Ein Dreh auf dem Absatz: Neue Arbeiten wirken wie „endlich befreit“ von selbstauferlegten Zwängen zur Reduktion, von der Strenge der „monochromem Exerzitien“ (Katalog). Die bewußte Sparsamkeit der achronologischen Hängung der Exponate tut sowohl dem Raum als auch den Bildern gut.
1945 wurde Jerry Zeniuk in einem Vertriebenenlager in Bardowick bei Lüneburg geboren. 1950 wanderte die Familie, die aus der Ukraine stammt, in die Staaten aus. Zeniuk studierte Kunst an der University of Colorado, arbeitet über „kozeptionelle Kunst“,
jobte in New York, wo er auch begann, mit ungewöhnlichen Malmaterialien zu experimentieren. Seine „Untitled„-Serie beginnt 1971 mit in Wachs gelösten Metallfarben und Pigmenten. Bei mehreren BRD-Aufenthalten (u.a. einem DAAD -Stipendium) fand Zeniuk Kontakt zu Galerien, darunter Katrin Rabus aus Bremen, die ihn vor zwei Jahren ausstellte. Sollte die Kunsthalle wirklich zuschlagen, wird
-da auch das neue Museum Weserburg ihn zeigen will - der „fundamentale“ New Yorker in Bremen gut vertreten sein. Burkhard Straßman
bis 13.Mai; Katalog 120 Seiten, 32 Farbabb., 34.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen