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Grüne am Scheideweg: „Es wird Trennungen geben“

■ taz-Gespräch mit dem Bremer Bundesvorstandssprecher der Grünen, Ralf Fücks, vor dem Hagener Parteitag: „Gegensatz von Kaitalismus und Sozialismus hat sich erledigt.“

taz: Die Grünen werden vor ihren Bundeskongressen mit schöner Regelmäßigkeit in Zerreißproben hineingeredet. Gibt es in Hagen diesmal endlich eine?

Ralf Fücks: Wir sind auf jeden Fall an einem Punkt, wo Entscheidungen fallen müssen. Vor allem in zwei Schlüsselfragen: Einmal in der gesamtdeutschen Bündnispolitik der Grünen, und das ist immerhin eine Frage, die unsere Identität berührt. Dahinter steckt ja die Frage, ob sich die Grünen in ein gesamtdeutsches Linksbündnis einsortieren wollen, in dem die spezifsche Qualität der Grünen als ökolgische Partei verschwindet, oder ob wir uns endlich aus dem Rechts-Links-Dualismus freischwimmen und unsere historishe Rolle wahrnehmen, nämlich Partei der Ökologie und der Bürgerrechte zu sein.

In der zweiten Schlüsslentscheidung wird es auch um die Selbstdefinition der Grünen als ökologische Partei gehen. Das soll nämlich nicht heißen, daß alle anderen Themen und Interessen - Frauen, 3. Welt, Minderheitenpolitik - an den Rand gedrängt werden sollen. Aber klar werden muß, daß der Kampf gegen die ökologische Selbstzerstörung der Industriegesellschaft das gemeinsame des grünen Projekts bildet.

Bei ihrer Gründung haben sich die Grünen als historischer Bündnis-Kompromiß von Linken und Ökologiebewegwegung begriffen. Heute behaupten die Linken: Dieser Kompromiß sei einseitig aufgekündigt worden. Gibt es diese Ausgrenzungsstrategie, bist Du jemand der sie betrieben hat?

Ich bin jemand, dessen Identität sich selbst in den letzten 10 Jahren verwandelt hat. Und das ist meine Erwartung an die Parteilinke insgesamt. Man kann sich nicht wie in einer Konservendose an die politische und programmatische Identität von 1980 klammern, wenn gleichzeitig die politische Welt außerhalb in einem rasanten Umbruch ist. Der Gegensatz von Kapitalismus und Sozialismus hat sich weltpolitisch erledigt. Die Grünen können diesen Konflikt nicht als Farce weiterspielen. Es kommt jetzt darauf an, sich auf einen Prozeß der Selbstveränderung einzulassen, in dem etwas Neues entsteht, nicht darauf, ob sich jemand selbst noch für links hält oder nicht.

Die Linken in den Grünen haben inzwischen ja jede Liebäugelei mit der realexistierenden PDS/DDR bzw. einer künftigen PDS/BRD dementiert. Hältst Du das für einen nur taktisch motivierten Rückzug oder ist das ein eindeutiges Bekenntnis zum Primat der Ökologie?

Ich unterstelle nicht, daß es konkrete Parteipläne in Richtung PDS gegeben hat, aber ich bin mir sicher, daß es den Wunsch nach Einheit der Linken gegen die Einheit der Deutschen gibt. Und Jürgen Reents hat noch vorgestern die Grünen als „radikale ökologische Linkspartei“ definiert. Das ist nach wie vor das strategische Interesse. Da gibt es eine unüberbrückbare Differenz.

Mit dem Gewicht der Differenzen wächst die Härte der Auseinandersetzungsformen innerhalb der Grünen. In Hamburg steht die GAL vor der Auflösung, Thea Bock ist zur SPD übergetreten, Ruth Hammberbacher legt den Öko-Sozilisten sehr drastisch ihren Austritt nahe. Gibt es überhaupt noch ein Feld der Gemeinsamkeit, auf dem sich diese Gegensätze wieder integrieren lassen, z.B. jetzt in Hagen?

Es gibt nach wie vor eine große Schnittmenge an Gemeinsamkeiten, vor allem vor Ort, wo die Bedeutung von Idelogien ohnehin abnimmt. Das Problem, an dem wir nicht mehr vorbeikommen, ist, daß eine so vielfältige Partei wie die Grünen, einen Grundkonsens braucht, und ich setze darauf, daß die große Mehrheit der Partei diesen ökologischen Grundkonsens will.

Geht in diesem ökologischen Grundkonsens das Selbstverständnis der Linken noch auf oder setzt dieser Konsens einen Bruch mit den Linken voraus?

Ich gehe davon aus, daß die Linke sich innerhalb der Grünen weiter differenzieren wird, so wie alle anderen politischen Strömungen sich schon differenziert haben. Es wird keine Spaltung zwischen organisierten Blöcken geben, aber es wird vermutlich Trennungen geben von Personen, die in den Grünen nicht mehr ihre politische Heimat finden. Ich gehe allerdings davon aus, daß wir durch diese Klärung nur gewinnen können. Beide Seiten.

Deine eigene Rolle: Hältst Du es für Deine Aufgabe, zwischen den Blöcken zu vermitteln, oder wirst Du versuchen zu polarisieren?

Ich bin in meiner Integrationsrolle in den letzten Jahren zwischen die Mühlsteine gekommen, und ich bin jetzt an einem Punkt, wo ich zwar immer noch versuche, den Dialog zwischen den Fronten aufrechtzuerhalten, aber gleichzeitig für Entscheidungen bin. Ein fauler Kompromiß wäre selbstmörderisch für die Grünen.

Fragen: K.S.

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