piwik no script img

DER MIETLING

■ Eine linke Wohnkarriere im Regelvollzug

Na, dein Untermieter möchte ich nicht sein!“, machte mich neulich ein Freund an. Das hätte mir die Einweihungsfete meiner neuen Wohnung und meinen ersten alleinigen Hauptmietvertrag (HMV) nach achtzehn Jahren Untermieter (UM) und, schlimmer noch, Nullmieter(0M)dasein fast verdorben.

Dabei ist der Mieterstatus wirklich das geringste Übel beim Wohnen. Es ginge auch wirklich ans Eingemachte, bekämpfte man die eigenen Unzulänglichkeiten. Man liefe Gefahr, das klare Feindbild zu verlieren. Und die wirklichen Schweinereien (nicht nur beim Wohnen) sind doch voll anerkannt! Das müßte H. - inzwischen Hauptmieter (HM) und Schuldirektor - eigentlich auch wissen. Ich will nicht die Litanei von Schmutz-, Putz- und Abwaschplänen wiederholen, man/frau denke nur einmal an Aufnahmegespräche. Bei meinem ersten und bisher einzigen Aufnahmegespräch als Bewerber in eine Dreier-WG, wo ich fast schon einzuziehen entschlossen war, lautete die letzte und entscheidende Frage: Wo stehst du denn politisch? Selbst meine offensichtlich deplazierte Antwort war kein Einzugshindernis. Im Gegenteil, das mache nichts, meinte die Frau, das könne man ja noch ändern. Ich änderte meine Pläne und schloß mich einer WG-Initiative von Freunden an.

Wir wurden glückliche Erbengemeinschaft (EG) einer (wenn sie gerade renoviert war, d.h. zu 95 Prozent leider nur potentiell) wunderbaren Schöneberger 10-Zimmer-Wohnung. Die EG ist zweifellos immer noch die sympathischste Kategorie auf dem Wohnungsmarkt, nimmt aber im Augenblick eher nur in

-allerdings zeittypisch - individualisierter Form von Hauserben (HE) an Bedeutung zu. Wir waren zwar alle weder H noch UM, dafür jedoch komfortable Wohnungsinsassen (WIs als EG in einer WG). Um seinerzeit in diese Wohnung einziehen zu können, waren die Gründungsmitglieder nach ihrem Abitur als Pensionsbetreiber aufgetreten. Sie waren trotzdem keine Fakemieter (FM), denn sie gingen ganz regulär pleite.

Vielleicht hat H. ja was gegen mich und gar nichts gegen Untermieter! Dabei habe ich doch bei dem Aufnahmegespräch für unsere WG vor acht Jahren gar nicht gegen ihn gestimmt. Meine Machtposition rührte nicht daher, daß ich als einziger noch mit dem HM richtig zusammengewohnt hatte und damals nur noch ich seine Telefonnummer in Essen wußte. Ich saß einfach schon drin, und er wollte erst noch rein, wie noch rund fünfzig andere in zehn Jahren. H. verließ die Wohnung ein Jahr später freiwillig. Als ich aus der WG nach zehn Jahren rausgeekelt wurde, war sie schon längst aus dem unsicheren (Miet-)Rechtsstatus der EG mit OH gehoben worden, hatte ich inzwischen auch schon einen Mietvertrag, aber nur einen gedrittelten, und außerdem meine Freundin nicht geschwängert, was mich zu einem mittelgroßen Eltern-Kind -andere-Betreuungspersonen-Projekt genötigt hätte. Da mir die natürliche Zwangslage als Argumentationsbonus fehlte, verfiel ich dem Asozialitätsverdikt.

Was macht ein Mann, der nicht in einem staatstragenden Projekt mit knuddligen Kleinen und Kleine knuddelnden Großen am Abendessenstisch sitzen will und auch nicht daran denkt, mit seiner Freundin eine ähnlich staatstragende Keimzelle (STK) zu gründen? Er fällt zurück in den Status des Mitbewohners (MB), denn ein richtiger UMV hätte noch einmal Maklerprovision gekostet. Der UMV hätte mir aber auch nichts genutzt, als die Wohnung zusammen mit der Nachbarinwohnung gegen eine dritte getauscht wurde. Ich war mit meinem WI, der natürlich auch keinen Mietvertrag - wg. s.o. - besaß, zerstritten. Vor der Kompliziertheit der Verhältnisse kapitulierte sogar das Statistische Landesamt, so daß uns bei der Volkszählung nur der Bogen für die sechsjährige Nachbarstochter erreichte.

Inzwischen hatte ich den Markt probiert und verworfen. Es war schließlich noch die Zeit vor der Wende, und wir kämpften damals alle gegen die Aufhebung der Mietpreisbindung. Stattdessen verließ ich mich zugegebenermaßen auch unter einem gewissen Zeit- und Geldzwang - wieder einmal auf persönliche Beziehungen und wurde zum zweiten Mal MB. Ob das nun so helle war, wie Berlin werden sollte, muß ich im Nachhinein bezweifeln. Ich erwies mich nämlich nur als ein schlechter Ersatz für eine MBin, mit der - wäre sie denn vorhanden gewesen - mein HM seine STK-Sehnsüchte hätte erfüllen können.

Und wieder verzagte ich vor den Klippen des Marktes. Irgendwie hatte ich auch Angst vor dem Alleinwohnen. Doch auch gnadenlose Konkurrenz mit hundert Mitbewerbern um einen HM ist nicht mein Fall. Jetzt wurde ich richtiger Untermieter. Das ging ganz ohne Aufnahmegespräch ab, denn ich wohnte jetzt fast allein. Aber was nutzt einem eine vom HM getrennte, eigene 2-Zimmerwohnung, wenn einem dauernd Leute über den Flur laufen, um in ihr Klo zu kommen. Da akzeptiert man doch liebend gerne ein Wohnungstauschangebot, mit der Aussicht, HM zu werden, und einem sofortigen UMV. Leider kam es nie zum HMV. Dafür kam irgendwann ein Anruf meines Bruders, der mit einem Hausverwalter Tischtennis spielt (Anfragen sind zwecklos!), der hätte da eine 3 -Zimmerwohnung in Schöneberg.

Die ist zwar ein Zimmer zu groß für mich und auch ein bißchen teuer, aber wer kann es sich heute schon leisten, so eine Wohnung abzulehnen?! Vielleicht gründe ich ja auch eine STK, oder ich hole mir übergangsweise einen MB hinein, aber nur nach einem sorgfältigen Aufnahmegespräch (Putz- und Musikgewohnheiten, Nichtraucher usw.) und ohne UMV, denn auf den Status kommt es nun wirklich nicht an! Wenn er unbedingt darauf besteht! Okay! Rauskriegen tu ich ihn immer.

Q. Kuck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen