Vom DIAS zum RIAS

■ Das Sprachrohr des kalten Krieges setzt jetzt auf Europa / Intendant Drück liebäugelt mit Werbung

Als kurz nach dem Mauerfall der Berliner Sender RIAS in seine mit Abstand beliebteste Sendung Das klingende Sonntagsrätsel (früher von Hänschen Rosenthal moderiert), die Bemerkung einflocht, im Westen gebe es Stimmen, die eine Auflösung des Senders forderten, entbrannte ein Sturm der Entrüstung. Die gewünschte Reaktion kam mit der Hörerpost. Bedingt durch den Wegfall der Zensur schrieben die Stammhörer des in der DDR wohl beliebtesten Senders nun säckeweise empörte Briefe und waren ob des westlichen Unverständnisses empört. In einem offenen Brief wandte sich eine Familie sogar an den Bundestagspräsidenten und forderte bei ihm mit Nachdruck den Erhalt des Senders.

Denn wer glaubt, daß sich mit der Demokratisierung in Osteuropa, und ganz besonders in der DDR, auch die Existenzberechtigung der „Freien Stimme der Freien Welt“ erledigt habe, unterschätzt die Energie und das Verhandlungsgeschick des RIAS. 1948, wenige Tage nach der Berlin-Blockade wurde das Funkhaus eingeweiht.

Noch heute ist der RIAS eine amerikanische Rundfunkanstalt auf deutschem Boden, mit einem amerikanischen Aufsichtsgremium, das den Intendanten ernennt. Noch immer finanziert sich der Sender zum größten Teil aus Bundesmitteln, das heißt etwa 90 Prozent des Jahresetats in Höhe von zirka 170 Millionen DM zahlt die Bundesregierung.

Um den Bedenken an der Legitimität der Freien Stimme den Wind aus den Segeln zu nehmen, startete der RIAS kurz nach der Öffnung der Mauer eine Umfrage unter den DDR-Besuchern im Westteil Berlins. Mit den Ergebnissen konnte man dann auch stolz an die Öffentlichkeit gehen: 54 Prozent der Befragten bezeichneten den RIAS als ihren Lieblingssender und stramme 83 Prozent fanden es richtig, daß sich die Anstalt mit ihrem Programm speziell an die DDR-Bevölkerung wendet. Zudem konnte sich das Funkhaus noch an die Brust heften, daß es mit einer „soliden politischen Information nicht unwesentlich zur demokratischen Entwicklung in der DDR beigetragen habe“.

Um sich auch rechtlich in die deutsche Medienordnung einzugliedern, etablierte der Sender einen Verwaltungsrat, der nun die Finanzen des Senders kontrolliert. Auch die Programmaufsicht soll einem Kontrollgremium, ähnlich wie Rundfunk- oder Fernsehräte, übertragen werden.

Auch ein neuer Programmauftrag wurde aus dem Hut gezaubert. Aufgrund der mehr als 40jährigen Tradition der „Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Deutschen“ soll die jüngste Entwicklung hautnah begleitet und dabei Informations- und Aufklärungsarbeit geleistet werden. Der wichtigste Punkt aber wird darin bestehen, daß Amerika nach dem Abbau der militärischen Präsenz weiterhin in Berlin vertreten bleibt.

Nur für RIAS-TV mochte bisher niemand entsprechende Umfragen präsentieren. Dafür scheint es denn auch gute Gründe zu geben. Nach fast zwei Jahren zeigt das Programm immer noch kein eigenes Profil. Deshalb haben viele Zuschauer auch kaum bemerkt, daß das Abendmagazin, plaziert auf Kanal 25, zwischen den Flachprogrammen der Schamonie Medien GmbH und SAT1, eine Sendung des RIAS ist. Auch das Frühstücksfernsehen mit seinen zwar nett produzierten, aber immer an der Oberfläche bleibenden Beiträgen hat nicht gerade wie eine Bombe in die Fernsehlandschaft eingeschlagen. Wen wundert's, war es doch gerade der Fernsehprogrammchef Besserer, der einst die Seichtwelle RIAS 2 kreierte.

Die Existenzberechtigung des Fernsehsenders ist aber noch fragwürdiger als die des Hörfunks. Die Ausstrahlung von RIAS TV geht nämlich kaum über den Großraum Berlin hinaus. Doch speziell hier wird der frequenztechnische Sprung ins Bundesgebiet angestrebt. Intendant Drück hob bereits zu Beginn des Jahres die Bedeutung „des einzigen deutschen Frühstücksfernsehens“ (wo es doch bald so viele Arbeitslose geben wird... d.S.) hervor. Der RIAS, so Drück, wolle aus seiner bisherigen Zwangsbindung mit SAT1 heraus und gemeinsam mit dem SFB den dritten Fernsehkanal der Nordkette nutzen. Denkbar seien auch Kooperationsmöglichkeiten mit dem deutsch-französischen Kulturkanal, dem ARD -Satellitenprogramm Eins Plus oder Frühstücksfernsehen für ARD und ZDF, falls diese über Satellit in die DDR ausgestrahlt würden.

Zwar strebe man grundsätzlich eine Sendung unter dem RIAS -Logo an, sei jedoch auch für andere Beteiligungen oder Zulieferfunktionen offen. Bisher hat sich der SFB standhaft geweigert, im Fernsehbereich mit dem RIAS zu kooperieren. Ob der Sender angesichts seiner miesen Finanzlage und der häufig völlig uneffektiven Produktionsweise noch lange in der Lage sein wird, dem Kuckucksei den Nestplatz zu verweigern, ist fraglich.

Karin Wildt