: „TOURISMO - NO!“
■ La Palma: Spekulation und Zerstörung der Landschaft
Der Strand von Los Cancajos auf La Palma könnte eine Idylle sein: schwarzer Sand, bizarres Lavagestein, Wellen, die zwar wild sind, doch gerade noch angenehmes Schwimmen erlauben. Aber die Sonnenhungrigen werden der Idylle nicht so recht froh. Kolonnen von Lastern und Baggern pflügen das gesamte Areal um und verwandeln das sonst so klare Wasser in eine braune Suppe. Weil auf der Kanarischen Insel ein Tourismus im großen Stil geplant ist, wird der Strand von Los Cancajos in der Nähe der Hauptstadt St.Cruz planiert. Das von Natur aus felsige Ufer könnte empfindsame PauschaltouristInnen abschrecken; deshalb wird künstlich Sand herangeschafft.
Die herzförmige „grüne“ Insel der Kanaren war bislang noch weitgehend vom Massentourismus a la Gran Canaria oder Teneriffa verschont. Allenfalls einige WandererInnen fanden den Weg auf die Insel, auf der vor fünf Jahren gerade 450 Hotelbetten registriert waren. Doch seit vor drei Jahren der neue Flughafen für den Charterflugverkehr geöffnet wurde, fallen jeden Mittwoch rund 280 „Alemannes“ in St. Cruz oder Los Llanos (auf der Westseite der Insel) ein. Hinzu kommen noch UrlauberInnen aus Großbritannien, Skandinavien und vom spanischen Festland sowie zahlreiche TouristInnen, die von den anderen Inseln mit der Fähre einen Abstecher nach La Palma machen.
Noch sind die Zahlen im Vergleich zu den anderen Inseln bescheiden: Durchschnittlich 2.000 BesucherInnen täglich, bei 1.500 fertiggestellten Appartements. Doch überall wird fleißig gebaut. Die staatliche Tourismusorganisation CIT strebt nach Aussage ihres Präsidenten Antonio Sosa 30.000 Hotel- und Appartementbetten an. Kontrollieren kann die CIT den Tourismusboom sowieso nicht, allenfalls kann sie Vorschläge machen, und so sprechen private Hoteliers schon von 80.000 geplanten Betten. Strände für die TouristInnen gibt es auf La Palma kaum. Die wenigen, die existieren, wie der wunderschöne Strand von Nogales im Norden von St.Cruz, sind nur durch mühsame Klettertouren zu erreichen. Um die Insel für den Massentourismus attraktiv zu machen, muß massiv in die Natur eingegriffen und die Landschaft zerstört werden.
So soll beispielsweise eine neue, weniger kurvenreiche Straße vom Flughafen in den Süden der Insel gebaut werden mitten durch ein Naturschutzgebiet hindurch. Aber die Palmeros wollen sich solche zwischen Politikern und Spekulanten vom Festland über ihre Köpfe hinweg ausgehandelten Projekte nicht mehr gefallen lassen. Obwohl die InseleinwohnerInnen sonst für Vereine und Parteien nichts übrig haben, gründeten rund 50 Palmeros eine Bürgerinitiative, die sich nach einem Wort der Ureinwohner der Insel, der Guanchen, „Irinchen“ nennt. Die Gruppe versucht, durch Informationen Verständnis bei den TouristInnen für die Probleme der InseleinwohnerInnen zu wecken. So verteilten sie bei der Landung des ersten Charterflugzeugs aus Düsseldorf ein Flugblatt, das in deutsch geschrieben war. Darin ist nicht nur von den ökologischen Folgen des Tourismus die Rede, sondern auch von den sozialen: La Palma lebt bislang fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Und Landwirtschaft bedeutet hier: Bananen. Vier Fünftel der Anbaufläche werden für die Bananenplantagen genutzt, eine Monokultur, die gerade durch den EG-Beitritt Spaniens große finanzielle Schwierigkeiten schafft. Für die tourismusfreundlichen Politiker (und das sind auf La Palma fast alle, vom kommunistischen Bürgermeister von St. Cruz bis zu den rechten und bürgerlichen) sind die Probleme der Landwirtschaft und die hohen Arbeitslosenzahlen ein gern gebrauchtes Argument für den Ausbau der touristischen Infrastruktur. Edeltourismus
Doch Jorge Garcia von „Irinchen“ kann darüber nur lachen: „Arbeit gibt es ja nur so lange, bis alle Hotels, Straßen und Appartements fertig sind. Und auch jetzt sind es nur Hilfsarbeiten, für die die Palmeros gebraucht werden. Die Architekten und Ingenieure kommen aus Deutschland.“
Die TourismusplanerInnen von der CIT können die Kritik der Palmeros gar nicht verstehen, da sie selbst doch auf Hochglanzplakaten einen „grünen Tourismus“ propagieren. Wird nachgefragt, was denn unter „grünem Tourismus“ zu verstehen sei, stellt sich heraus, daß ein Tourismus für wenige Reiche angestrebt wird. Abgesehen davon, daß dieses Konzept schon auf der Insel Lanzarote vom Landschaftsarchitekten Manrique versucht wurde und kläglich scheiterte, ist der Edeltourismus auch in ökologischer Hinsicht problematisch: Die Reichen wollen halt auch etwas Besonderes geboten bekommen, und so planen die eifrigen Tourismusmanager Golfplätze an allen Ecken der Insel. Der Bau des ersten Platzes im Süden der Insel bei Fuencaliente scheint so gut wie sicher, obwohl die riesige Rasenfläche mitten in einem Naturschutzgebiet liegen soll.
Ein Golfrasen benötigt enorme Wassermengen. Bislang hatte La Palma noch nicht unter Wassermangel wie etwa die Nachbarinseln Hierro oder Fuerteventura zu leiden. Doch schon jetzt führt der steigende Wasserverbrauch durch die Hotelanlagen dazu, daß die Bergquellen in der Caldera, einem der größten Kraterkessel der Erde, versiegen. Denn kontrollieren kann der Staat die Wasserverschwendung nicht. Wie auf der ganzen Insel ist selbst das Wasser aus dem Nationalpark Caldera in Privatbesitz. Viele der Wasseraktien gehören Deutschen, die sich auf La Palma ein Haus gekauft haben. Die zahlungskräftigen Hoteliers aus dem Ausland und vom spanischen Festland treiben die Wasserpreise hoch, so daß die ärmsten Palmeros bald selbst das Lebensnotwendigste, ihr Wasser, nicht mehr bezahlen können.
Solche Fakten und das oft selbstherrliche Auftreten der TouristInnen vom europäischen Festland schaffen Ausländerhaß und verstärken den Nationalismus der Canarios. Ohnehin gibt es auf La Palma wie auf allen anderen Kanarischen Inseln separatistische Bestrebungen. So vermischt sich der Haß auf die „Godos“, die Festlandspanier, mit dem Haß auf die TouristInnen. „Godos, Alemannes, Piojos, Caimanes“ dichtete einer der fleißigen Graffiti-Sprayer der Separatistenbewegung „Frepic Awanak“ (guanchisch für „Kinder der Erde“). Die FestlandspanierInnen werden als Läuse (Piojos) bezeichnet, die sich auf der Insel festsetzen und nicht mehr wegzubringen sind. Die Deutschen als Krokodile (Caimanes), die alles auffressen, was ihnen vors Maul kommt. Überall auf La Palma sind diese Sprüche zu lesen. Es entsteht der Eindruck, „Frepic Awanak“ müsse eine riesige Organisation sein. Doch niemand weiß genau Bescheid, und die meisten Palmeros sagen, die „Organisation“ sei nur ein einzelner.
Auf jeden Fall drücken die Sprüche eine Stimmung der Palmeros aus: Tourismo - No! Doch aufzuhalten ist der Ausbau des Tourismus wohl kaum mehr. Allenfalls bleibt für die Palmeros der Hoffnungsschimmer, den der Student Carlos so zum Ausdruck bringt: „Wir Palmeros packen alles chaotisch an, auch den Tourismus. So werden Hotels gebaut, ohne daß Strände für die Leute da sind. Und unsere Fischer schmeißen Fischabfälle in die Buchten, so daß die wenigen Strände wegen Haigefahr gesperrt werden müssen. Vielleicht vertreiben solche Fehler ja die Touristen von selbst.“
Klaus Rimpel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen