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Ost-SPD vertagte Koalitionsentscheidung

Christdemokraten wollen weiter nur mit der DSU / Chef Ebeling entschuldigt sich bei den Sozialdemokraten für den rüden Wahlkampf  ■  Aus Ost-Berlin Brigitte Fehrle

Die SPD hat sich noch immer nicht entschlossen, mit den Parteien der „Allianz für Deutschland“ in Verhandlungen über eine große Koalition einzutreten. Man wolle die Entscheidung von einem weiteren Informationsgespräch mit der CDU abhängig machen, hieß es gestern nach einer mehr als sechsstündigen Sitzung der Fraktion. Haupthindernis ist die Deutsche Soziale Union (DSU), die von den Sozialdemokraten weiterhin als Partner in der Regierung abgelehnt wird. Zu noch strittigen Punkten zwischen den Parteien gehört offenbar die Reihenfolge der Installierung der Wirtschafts- und Sozialunion. Allerdings wird erkennbar, daß Partei und Fraktion von ihrer starren Haltung zur DSU abweichen könnten. Der amtierende Fraktionsvorsitzende Schröder sagte gestern, man müsse sehen, wie sich das aufdrösele, wenn man weiter über Sachfragen verhandle.

Zuvor hatte der Vorsitzende der CDU, Lothar de Maiziere, nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei mitgeteilt, daß die CDU zu Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten bereit sei. In einem Informationsgespräch hatten die beiden Parteien Einigkeit in Sachfragen konstatiert. Unter anderem war man gemeinsam der Auffassung, daß es einen Paragraphen 218 in der DDR nicht geben solle. Die einzige offene Frage war die Beteiligung der DSU geblieben. Koalitionsverhandlungen, das bekräftigte de Maiziere gestern noch einmal, gebe es nur unter Einschluß der DSU. Mit am Tisch sitzen sollen auch der Demokratische Aufbruch und die Liberalen.

Der DSU-Vorsitzende aus Leipzig, Wilhelm Ebeling, hatte gestern den Sozialdemokraten die Hand ausgestreckt. Er entschuldigte sich für die herben Sitten im Wahlkampf. Er bedaure, sagte er gestern, noch während die Fraktionssitzung der Soziademokraten andauerte, „daß manches bei uns so gelaufen ist“. Vor allem im Süden der Republik war der Wahlkampf zwischen Sozialdemokraten und der DSU besonders heftig gewesen: ein gewichtiges Argument der SPD, eine Koalition mit der DSU abzulehnen. Ebeling sprach sich für eine große Koalition mit den Sozialdemokraten aus. Die inhaltlichen Übereinstimmungen, die die CDU mit der SPD erzielt habe, träfen auf seine Partei ebenfalls zu, sagte er gestern. Den Anspruch der DSU auf vier Ministerämter und den Stuhl des Präsidenten der Republik, der tags zuvor bei CDU -Chef de Maiziere ein mildes Lächeln und den Satz: „Nicht alle Blütenträume gehen auf“, ausgelöst hatte, schränkte Ebeling gestern wieder ein. Er habe lediglich sein „Interesse“ bekundet. Im übrigen rechnet der Leipziger damit, daß die Regierung bis Ostern steht. - Am nächsten Donnerstag wollen die neugewählten Abgeordneten der Volkskammer erstmals zusammentreten.

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