: Harsche Proteste gegen Vorschlag 1:2
■ Zentralbankrat-Empfehlung an Regierungen in Bonn und Ost-Berlin: Aus zwei mach eins! / Mit Lohnzuschlägen rechnet die BRD-Notenbank aber mit einem Lohnniveau von 1.000 D-Mark in der DDR / Auch CDU-Widerstand
Berlin (dpa/taz) - Auf harsche Proteste aus allen möglichen Richtungen ist die Empfehlung des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank in Frankfurt/M. gestoßen, bei der Währungsunion einen DM-Ostmark-Kurs von 1:2 zugrundezulegen.
Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl hatte am Samstag Zeitungsberichte bestätigt, nach denen dieses Verhältnis für die Bewertung von Löhnen, Renten, größeren Sparbeträgen und Schulden der Betriebe in der DDR gelten soll, die ab Inkrafttreten der Währungsunion in D-Mark berechnet werden. Der Entschluß sei „praktisch einhellig“ gefallen. Die Zusage der Bonner Regierungskoalition während des DDR-Wahlkampfes, einen Umtauschkurs von 1:1 zu garantieren, beschränkt sich damit nur noch auf kleinere Guthaben von 2.000 Mark pro Person. Dies darf daraus geschlossen werden, daß Bundesfinanzminister Theo Waigel den Bundesbank-Vorschlag als „gute Grundlage“ bezeichnete. Ein Sprecher der Bundesbank verwies darauf, daß die letztendliche Entscheidung über das Umtauschverhältnis bei den Regierungen in Bonn und Berlin liege.
Als „sozial unverträglich“ schätzte der Deutsche Gewerkschaftsbund die angepeilte 1:2-Regelung ein. Vorstandsmitglied Michael Geuenich meinte am gestrigen Sonntag, schon bei einem Umtauschkurs von 1:1 bestehe ein enormes Wohlstandsgefälle zuungunsten der DDR-Bürger. Nun drohe eine „totale Verarmung der sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen“ in der DDR. Die SPD-Währungsexpertin Ingrid Matthäus-Maier kritisierte, daß die DDR zu einem Billiglohnland werden solle, wodurch auch in der Bundesrepublik ein Druck auf die Löhne ausgeübt wird.
Auch in der CDU gibt es kritische Stimmen. Der Sprecher der CDU-Sozialausschüsse, Ulf Fink, befürchtet, daß jeder Umtauschkurs unterhalb von 1:1 „die Bürger wieder in Massen in die Bundesrepublik“ treiben würde, und der designierte DDR-Wirtschaftsminister und jetzige Politiker der CDU (West) erneuerte seine Forderung, bei allen Sparguthaben, Renten und Löhnen aus einer Ost-Mark eine D-Mark zu machen.
Der Bonner FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff sprach in der gestrigen 'Welt am Sonntag‘ gar von einiem „Wortbruch“ für den Fall, daß die Umstellung generell im 1:2 Maßstab erfolge. Er beschränkt seine Forderung nach 1:1 allerdings auf die gesamten Sparguthaben unabhängig von ihrer Höhe.
Die Empfehlung der Bundesbank schließt allerdings einige Zusätze ein, die die tatsächlichen Löhne um einiges höher als die Hälfte des heutigen Niveaus heben wird. Die Bundesbank ging bei ihren Überlegungen davon aus, daß der jetzige Durchschnittslohn in der DDR bei 1.250 Mark liege. Nachdem gemäß der 1:2-Regelung zunächst halbiert wird, sollten durch die mit der Währungsunion verknüpfte Sozialunion Lohnzusätze hinzukommen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die zu einem Durchschnittsniveau von 1.000 D -Mark führen würden.
Zusätzlich dazu ist offenbar vorgesehen, die jetzigen Subventionen für die Güter des Grundbedarfes auf die Löhne umzulegen, was auf einen Teuerungsausgleich von 25 Prozent hinausliefe - ein Ausgleich freilich dafür, daß dann auch die bislang subventionierten Preise für Butter, Milch und Produkte des lieben Viehs in die Höhe schießen werden. Zwar soll dieser Zuschlag laut Bericht der 'Frankfurter Rundschau‘ von den Betrieben an ihre Beschäftigten bezahlt werden, sie würden dafür jedoch in den Genuß niedrigerer Wirtschaftsabgaben kommen.
Insgesamt schätzt die Frankfurter Zentralbank, daß das Lohnniveau anschließend bei etwa 50 Prozent des heutigen bundesdeutschen liege. Das Verhältnis der Produktivität beider Länder falle weit stärker zuungunsten der DDR aus.
Für die Renten will die Bundesbank folgende Formel angewandt wissen: Entsprechend der bundesdeutschen Formel Anhebung auf 70 Prozent des letzten Nettolohnes, anschließend jedoch im Sinne von 1:2 halbiert, was nach Einschätzung der Bundesbank ein Rentenniveau von etwa 500 Mark ergebe - wobei auch hier der Teuerungszuschlag eingerechnet ist.
Da konsequenterweise die Schulden der DDR-Wirtschaft bei der Staatsbank halbiert werden sollen, empfehlen die Bundesbanker, daß der Bund durch die Übernahme von Ausgleichsforderungen für die andere Häfte aufkommt. Die anfallenden Zinsen in erwarteter Höhe von zwei Milliarden Mark würden aus dem Bundeshaushalt bezahlt.
ulk
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