: „Gegen die Sicherheitsphilosophie...“
■ Der AL-Abgeordnete Albert Eckert zum Hungerstreik und zur Verweigerung der Anstaltskost im Moabiter Knast / Die Justizverwaltung sollte sich mit den Gefangenen an den runden Tisch setzen
taz: Die Moabiter Gefangenen erheben Forderungen, die Bestandteil der rot-grünen Koalitionsvereinbarung sind. Stimmt der Eindruck, daß die Justizverwaltung abblockt, oder tut sich hinter den Kulissen doch etwas?
Albert Eckert: Ich habe den Eindruck, als seien die Fronten etwas festgefahren. Ich muß aber sagen, daß nicht alle Forderungen Bestandteil der Koalitionsvereinbarung sind. Sie gehören aber sehr wohl zum justizpolitischen Programm der AL und zum größten Teil auch der SPD. Was ich nicht recht einsehen kann, ist, daß die Justizverwaltung noch nicht einmal mit den Gefangenen reden will. Ich frage mich wirklich, was sie sich dabei vergibt.
Staatssekretär Schomburg argumentiert, nur 17 Gefangene würden „partiell“ hungerstreiken. Die AL spricht von 50 Gefangenen. Was stimmt denn?
Die Zahl 50 habe ich von einem der hungerstreikenden Gefangenen am Donnerstag gehört. Ich habe eigentlich keinen Anlaß, daran zu zweifeln. Ob es fünf mehr oder weniger sind, kümmert mich, ehrlich gesagt, nicht. Die Zahl 17 empfinde ich aber als arg gering. Von einem partiellen Hungerstreik kann man insofern reden, als nicht alle Gefangenen einen konsequenten Hungerstreik durchhalten, sondern gelegentlich selbstgekaufte Nahrung zu sich nehmen. Auf jeden Fall wird die Anstaltsnahrung verweigert.
Dann sollte man es aber auch so nennen. Die Aktion dauert jetzt zwei Wochen. Wie geht es weiter?
Ich hoffe, daß auch andere Gremien im Vollzug diesen Hungerstreik - die Verweigerung der Anstaltsnahrung - zum Anlaß nehmen, die Justizverwaltung zu bitten, sich den Forderungen und der Diskussion mit den Gefangenen zu stellen. Der Anstaltsbeirat könnte vermitteln oder die Anstaltspfarrer. Der Anstaltsbeirat hat sich ja bereits informiert. Ich hoffe, daß er die Justizverwaltung zur Aufnahme von Gesprächen bewegen wird.
Glauben Sie, daß sich eine Lösung finden ließe, wenn die Justizverwaltung die Gefangenen in Gesprächen ernst nehmen würde.
Ich glaube, daß die Justizverwaltung mit den Gefangenen an einem runden Tisch sehr schnell klären könnte, welche Forderungen nicht realisierbar und welche schnell erfüllbar sind. Wenn die Verwaltung zeigen würde, daß sie sich bemüht, die Veränderungen im Sinne der Koalitionsvereinbarung umzusetzten, würden die Gefangenen das wahrscheinlich einsehen.
Der Abteilungsleiter Flügge hat angekündigt, daß es ab Mai in der U-Haft mehr Aufschluß geben soll. Das ist doch konstruktiv, oder?
Das sehe ich auch so. An sich gibt es in Moabit schon länger Reformansätze, die von den Bediensteten ganz gut mitgetragen wurden. Die Justizverwaltung befürchtet einen Stopp dieses Prozesses, wenn sie mit den Gefangenen redet. Ich finde, sie muß mit ihnen reden: gerade weil sie mit einer derart selbstgefährdenden Aktion auf sich aufmerksam zu machen versuchen.
In dem Streik geht es nicht nur um die U-Haft, sondern auch um das Strafgefangenen-Haus II. Die Minimalfoderung ist, daß die Haftsituation wenigstens so ist wie im Tegeler Verwahr-Haus II. Warum ist das noch nicht passiert?
Die Moabiter Anstaltsphilosophie ist die, das Moabit die sicherste Anstalt in Berlin ist und bleiben soll. Gegen diese Sicherheitsphilospohie in den Köpfen anzukommen ist ein sehr langwieriger, schwieriger Prozeß. Bei meinem Rundgang durch die Anstalt habe ich in einem Beamtenbüro einen Aufkleber der „Republikaner“ an der Lampe prangen sehen. Ich glaube, daß ist kein Zufall für diesen Bereich. Es wird sehr zäh sein, dort nach und nach etwas zu bewegen.
Interview: plu
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