: April, April, sagte der Kanzler - Tauschkurs 1:2
■ Politiker aller Ost-Parteien kritisieren den neuesten Plan der Bundesbank
Berlin (dpa/taz) - Auf massive Proteste ist die Empfehlung des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main gestoßen, bei der Währungsunion einen DM-Ostmark -Kurs von 1:2 zugrunde zu legen.
Am Rande der Koalitionsgespräche in Ost-Berlin bezeichneten CDU und SPD die angestrebte Halbierung der DDR-Löhne als nicht akzeptabel. Der CDU-Generalsekretär Kirchner sowie der stellvertretende SPD-Vorsitzende Markus Meckel bezeichneten den angestrebten Umtauschkurs als unannehmbar. „Dann sind unsere Leute wieder in westdeutschen Turnhallen“, kommentierte der Vorsitzende des Demokratischen Aufbruchs, Rainer Eppelmann, den in Aussicht gestellten Umtauschkurs. Der Bund freier Demokraten sprach an die Adresse der Bundesregierung gerichtet von „Wortbruch“.
FDP-Vorsitzender Otto Graf Lambsdorff bezeichnete einen generellen Kurs 1:1 als ökonomisch bedenklich. Demgegenüber bestritt CDU-Generalsekretär Volker Rühe wie vor ihm schon Kohl, daß es im DDR-Wahlkampf eine globale Zusage für einen Kurs 1:1 gegeben habe. Dies sei „frei erfunden“. Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl verteidigte den Umtauschkurs, der für die Bewertung von Löhnen, Renten, größeren Sparbeträgen und Schulden gelten soll. Der im Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank „praktisch einhellig“ gefaßte Beschluß diene der Stabilität der D-Mark. Ein genereller Umtausch von 1:1 bedeute eine zu große Belastung der Bundesrepublik, sagte Pöhl bei einem informellen Treffen der EG-Finanzminister am Samstag im irischen Galway.
Finanzminister Waigel wertete den Bundesbankvorschlag als „realistisch und ökonomisch sinnvoll“. Die Zusage der Bonner Regierungskoalition während des DDR Fortsetzung auf Seite 2
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Wahlkampfes, einen Umtauschkurs von 1:1 zu garantieren, beschränkt sich damit nur noch auf kleinere Guthaben von 2.000 Mark pro Person. Diesen Teil des Bundesbankvorhabens bezeichnete Waigel als „soziale Komponente“.
Ein Sprecher der Bundesbank verwies darauf, daß die letztendliche Entscheidung über das Umtauschverhältnis bei den Regierungen in Bonn und Ost-Berlin liege.
Als „sozial unverträglich“ schätzte der Deutsche Gewerkschaftsbund die angepeilte 1:2-Regelung ein. Vorstandsmitglied Michael Geuenich meinte gestern, schon bei einem Umtauschkurs von 1:1 bestehe ein
enormes Wohlstandsgefälle zuungunsten der DDR-Bürger. Nun drohe eine „totale Verarmung der sozial schwächsten Bevölkerungsgruppen“ in der DDR. Die SPD-Währungsexpertin Ingrid Matthäus-Maier kritisierte, daß die DDR zu einem Billiglohnland werden solle, wodurch auch in der Bundesrepublik ein Druck auf die Löhne ausgeübt wird.
Auch in der Bonner CDU gibt es kritische Stimmen. Der Sprecher der CDU-Sozialausschüsse, Ulf Fink, befürchtet, daß jeder Umtauschkurs unterhalb von 1:1 „die Bürger wieder in Massen in die Bundesrepublik“ treiben würde. Der designierte DDR-Wirtschaftsminister und jetzige Politiker der CDU (West) erneuerte seine Forderung, bei allen Sparguthaben, Renten und Löhnen
aus einer Ost-Mark eine D-Mark zu machen.
Die Empfehlung der Bundesbank schließt allerdings einige Zusätze ein, die die tatsächlichen Löhne um einiges höher als die Hälfte des heutigen Niveaus heben wird. So sind Lohnzusätze wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld vorgesehen, die zu einem durchschnittlichen Lohnniveau von 1.000 D-Mark führen würden.
Zusätzlich dazu ist offenbar vorgesehen, die jetzigen Subventionen für die Güter des Grundbedarfes auf die Löhne umzulegen, was auf einen Teuerungsausgleich von 25 Prozent hinausliefe - ein Ausgleich freilich dafür, daß dann auch die bislang subventionierten Preise in die Höhe schießen werden.
Insgesamt schätzt die Frankfurter
Zentralbank, daß das Lohnniveau anschließend bei etwa 50 Prozent des heutigen bundesdeutschen liege. Das Verhältnis der Produktivität beider Länder falle weit stärker zuungunsten der DDR aus. Für die Renten will die Bundesbank folgende Formel angewandt wissen: Entsprechend der bundesdeutschen Norm Anhebung auf 70 Prozent des letzten Nettolohnes, anschließend jedoch im Sinne von 1:2 halbiert, was nach Einschätzung der Bundesbank ein Rentenniveau von etwa 500 Mark ergebe.
Da konsequenterweise die Schulden der DDR-Wirtschaft bei der Staatsbank halbiert werden sollen, empfehlen die Bundesbanker, daß der Bund durch die Übernahme von Ausgleichsforderungen für die andere Häfte aufkommt. Die anfallen
den Zinsen in erwarteter Höhe von zwei Milliarden Mark würden aus dem Bundeshaushalt bezahlt.
ulk
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