: Die Heckmann-Werke kehren zurück
Heidenauer Chemieanlagenwerk wird als erster Betrieb des Bezirkes Dresden reprivatisiert / Belegschaft wurde mit 92,65 Prozent Gesellschafter / Die Treuhänderanstalt hält sich aus der Geschäftsleitung raus / 570 Reprivatisierungsanträge bisher registriert ■ Von Detlef Krell
Während in Heidenauer Clubhaus „Aufbau“ die Serviererinnen Sekt und Sandwiches kredenzen, unsere Unternehmer avancieren Direktoren ...kehren die Männer des Kompensierungsbereiches unseres Betriebes die Späne ins Feuer. Der 30. März 1990 war für alle ein historischer Tag, für den Chemie- und Pilotanlangenbau Heidenau-Pirna für die Fachleute in den lichtarmen Produktionshallen, für die Herren Franz Ritter, und Dr. Michael Heckmann, die beiden Geschäftsführer der Neuen Heckmann GmbH und für Prof. Dr. Carl-Justuts Heckmann schließlich, der nach achtzehn Jahren in seinen Betrieb zurückgekehrt ist, nun als Gesellschafter seines reprivatisierten Unternehmens.
Der 89 Jahre alte Prof. Heckmann wohnt in Leipzig und genießt als Fachmann für technische Maßstabsübertragung internationales Ansehen. 1972 waren die Heckmann-Werke das damals größte private Unternehmen in Sachsen in mehreren Schritten verstaatlicht wurden. Folgerichtig erhielt der VEB Komplette Chemieanlagen in Dresden den Betriebsteil zugeschlagen und beide gehörten zum VEB Chemieanlagenbau Kombinat Leipzig Grimma. Die Auftragslage in Kombinat und der Aufbruch der DDR in die Marktwirtschaft beunruhigten zu Jahresbeginn Werktätige und die Werkleitung. Auf Wunsch der Belegschaft hatte sich Prof. Dr. Heckmann im Februar dazu durchgerungen, die Reprivatisierung des Betriebes einzuleiten. Ihm zur Seite stand sein Sohn, Dr. Michael Heckmann, und die Unternehmens- und Technologieberater Michael Kalde aus Unna, und Klaus Leross aus Ridburg.
Am 20. Februar schrieben die Gewerkschaftsleitungen der Heidenauer und Leipziger Betriebsstelle einen Brief an ihre Generaldirektoren, worin sie den „Sehr geehrten Herrn Dr. Wohlleben“ dringlich aufforderten, „dem Willen der vertretenen siebzig bis achtzig Prozent der Belegschaft Rechnung zu tragen“ und den Bemühungen des zurückgekehrten Besitzers entgegenzukommen. Wie diese siebzig bis achzig Prozent ihren Willen artikulierten, erläuterte BGL -Vorsitzender Kabler aus Leipzig. Jeder Kollege konnte sich mit seiner Unterschrift entscheiden für eine Zukunft im Privatunternehmen oder in einem volkseigenen Betrieb. Als am 1. März 1990 die Regierung den Schwenk vom VEB zur GmbH oder Aktiengesellschaft beorderte, hatten die Nägel im Heidenauer Wirtschaftsbereich schon längst ihre Köpfe. Mit einem Stammkapital von 6, 1 Millionen Mark steigt die GmbH ins Geschäft. Mit 7,25 Prozent hat sich Prof. Dr. Heckmann eingekauft.
Hinter 92,65 Prozent steht eine Anstalt zur treuhänderischen Wahrung des Volkseigentums. Sie tritt als Gesellschafter auf und wird im Aufsichtsrat Einfluß auf das Unternehmen geltend machen. So jedenfalls hieß es auf der Pressekonferenz. An der Geschäftsleitung werde die Anstalt nicht teilnehmen. Was erwartet die 725 Beschäftigten der GmbH: gesicherte Arbeitsplätze und Aufträge, meint Ex -Betriebsdirektor Franz Ritter vor der Presse.
Dem Gewerkschaftschef des Heidenauer Betriebes schwebt auf eine dortige Anfrage ein Dreigespann von Geschäftsleuten, Gewerkschaft und Betriebrat vor. Den Betriebsrat gibt es noch nicht, aber man werde ja sicher damit konfrontiert. Wenn sich der Betrieb finan-ziell erholt habe, sollen sogar weitere Vereinbarungen für die Kollegen herausspringen. Immer wieder habe er dann bei den Veranstaltungen des Unternehmerverbandes feststellen können, daß die Angst vor Arbeitslosigkeit nicht geteilt werden.
Vielmehr fand er dort die feste Gewißheit auf eine wirtschaftlichen Wende, die uns allen Arbeit verschaffen wird. So wird auch die Arbeit im Meisterbereich Kompensierung des Heidenauer Betriebes verbessert. Ob der Aufschwung allerdings mit den altbekannten und wieder neu ernannten Leitern kommen wird, bezweifeln sie. Und ob die Gewerkschaft hier einmal viel zu sagen haben wird, wissen sie nicht. Was bringen sie ein in diese Wirtschaft? Die Eigentümer aus dem Volke mit ihren 92,65 Prozent Anteilen an der Gesellschaft. „Es ist davon gesprochen worden, daß irgendwie ein Betriebsrat gebildet werden soll. Das wäre unumgehbar, so ist geredet worden, aber nicht zu uns. Erstmal zu unserem Chef, der im ökonomischen Rat ist.“ Einige aus dem ökonomischen Rat, so hören die Kollegen auch, sollen in den Betriebsrat hinüberrücken. In dieser Branche, das wissen auch die Arbeiter, wird es genügend zu tun geben. Umweltschutz, Abwasser... .
Eine Kooperationsvereinbarung mit der DERZELIUS Umweltservice AG, Frankfurt am Main, ist unterzeichnet. Doch will die Heckmann Werke Gmbh kein Joint Venture mit einem ausländischen Unternehmen eingehen. Vorerst. Wir haben es so nicht gewollt, jetzt wird es so gemacht wie es kommen muß, witzelte einer der Heidenauer Neu-Unternehmer am Rande des Pressegespräches.
Der VEB Chemie- und Pilotanlagenbau Heidenau-Pirna wurde als erster Betrieb des Bezirkes Dresden reprivatisiert. Mehr als 570 Anträge zur Reprivatisierung von Betrieben liegen vor. Wenn die Gewerkschaft derweil weiter Dreigestirne aus dem realsozialistischen Sagenschatz zimmert, bleibt den Belegschaften tatsächlich nicht viel mehr als gute Hoffnung.
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