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EG: Keine Visafreiheit für DDR und Türkei

■ Noch keine Visafreiheit für DDR-Bürger / DDR-Visaabkommen mit Türkei ausgesetzt / Bald ohne Visum nach Frankreich? / Italien für Quotenregelung

Berlin (taz/adn) - Die Entscheidung über eine mögliche Visafreiheit für DDR-Bürger bei Reisen in EG-Länder ist am Montag vom EG-Außenministertreffen vertagt worden.

Ein Grund dafür war das Abkommen zwischen der DDR und der Türkei, welches türkischen Bürgern die visafreie Einreise in die DDR gestattet hätte. Die BRD und auch die Niederlande und Luxemburg befürchteten einen unkontrollierten Zuzug von Türken in die EG. Die BRD fühlte sich außerdem auf den Schlips getreten, weil die DDR das Abkommen unterzeichnete, ohne vorher in Bonn um Erlaubnis zu bitten. Das Abkommen sei ein „unfreundlicher Akt“, war aus Bonn zu hören.

Wahrscheinlich wegen dieses Druckes ist es jetzt von der DDR-Regierung vorerst ausgesetzt worden. Das Außenministerium teilte mit, man wolle eine Grundsatzentscheidung über das Abkommen der neuen Regierung überlassen. Die Ständige Vertretung der BRD in Berlin bestritt, interveniert zu haben, erklärte jedoch, man habe nicht näher bezeichnete „Fragen“ gestellt. Bonn beharrt auf seiner Position, daß die DDR in Sachen Türken keinen eigenen Weg zu gehen hat und verlangt eine Übernahme der bundesdeutschen Einwanderungsbestimmungen durch die DDR.

Von der türkischen Botschaft war keine Stellungnahme zu erhalten.

Auf dem EG-Außenministertreffen war vorgeschlagen worden, für Besuche von DDR-Bürgern bis zu drei Monaten keine Visa mehr zu verlangen. Italien, Spanien und auch BRD -Außenminister Genscher forderten dasselbe auch für Bürger Ungarns und der CSR. Dies wurde grundsätzlich befürwortet, aber eine Entscheidung darüber wurde auf Mai vertagt. Damit ist auch die Visafreiheit für die DDR vorerst auf Eis gelegt.

Einzelne Länder wollen jedoch schneller vorangehen. So plant Frankreich die Abschaffung der Visumpflicht für Bürger der DDR, der CSR, Polens und Ungarns. Es will dies aber nicht machen, bevor ein EG-Beschluß vorliegt. Die BRD hat bereits mit Ungarn vereinbart, ab 1. Mai die Visumpflicht aufzuheben.

Genscher sagte, mit der CSR stehe eine ähnliche Vereinbarung bevor. Eine Abschaffung der Visumpflicht für Polen steht nach Angaben aus Kreisen der deutschen Delegation wegen des dann zu befürchtenden Einwandererstroms derzeit nicht zur Debatte.

Die Mittelmeerländer wollen aber, daß sich die EG mehr um ihre südliche Grenze kümmert. Italiens Außenminister Gianni de Michelis legte dem EG-Ministerrat ein Memorandum vor, in dem Rom eine Harmonisierung der Einreise- und Asylpolitik der EG verlangt.

Italien schlägt darin vor, in den EG-Ländern für Einwanderer aus Drittstaaten Quoten einzufühgren. Diese Höchstgrenzen sollten sich an dem Bedarf orientiern, der in dem jeweiligen Land an ausländischen Arbeitskräften bestehe.

Die Italiener, die im kommenden Halbjahr die EG -Ratspräsidentschaft führen, wollen die Bekämpfung der illegalen Einwanderung vom Sommer an zu einem Schwerpunkt der EG-Politik machen.

Dominic Johnson

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