: „Bitte Senat, nimm das Gästehaus zurück“
■ Maritim wollte Gästehaus nicht mehr haben, dann schneller Abriß / CDU: Sondersitzung und Mißtrauensantrag gegen Kunick
Der Abriß des Senatsgästehauses soll Konrad Kunick seinen Senatorenkopf kosten. Das will zumindest die versammelte Opposition. Nach FDP und Grünen legte sich gestern auch die CDU auf ein Mißtrauensvotum gegen den Bausenator fest. Fraktionsvorsitzender Peter Kudella gestern auf einer Pressekonferenz: „Das eklatante politische Versagen von Kunick ist innerhalb kürzester Zeit auffällig geworden.“
Der „Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte“, ist aber auch für die CDU Kunicks Geheimdiplomatie mit dem Abbruchbagger. Wie schon bei der Kostenexplosion beim Maritim-Kongreßzentrum fühlt sich die CDU beim Maritim -Gästehaus hinters Licht geführt. Kudella: „Einen solchen Machtmißbrauch gab es in der deutschen Nachkriegsgeschichte nur noch durch die Staatspartei in der DDR.“ Anlaß für die gewagte Parallele: Noch am 23. März war im Grundstücksausschuß der Antrag des CDU-Abgeordneten Günter Klein, den Abriß nicht zu vollziehen und mit Maritim neu zu verhandeln nicht befaßt worden. Begründung der SPD -Ausschußmehrheit nach Rücksprache mit dem Fraktionsvorsitzenden Claus Dittbrenner: Überflüssig, da ein ähnlicher Antrag der FDP-Fraktion im Mai der Bürgerschaft befaßt werde und es keine Eilbedürftigkeit gebe. Drei Tage später unterschrieb Bausenator Kunick die Abbruchgenehmigung. Kudella: „Die Parlamentarier wur
den hinters Licht geführt.“
Auch der CDU kommen die Geschäftbeziehungen zwischen dem Unternehmen aus Bad Salzuflen und dem Bremer Senat allmählich merkwürdig vor. Kudella: „Die Geschäftsbeziehungen nehmen ein Maß an Ungereimtheiten an, daß einen mehr als stutzig werden läßt.“ Doch mehr als Mutmaßungen über dunkle Geschäfte im Hintergrund hat die CDU bislang nicht. Deshalb will sie mit einer großen Anfrage herausfinden, welche Zusammenhänge zwischen dem
Kongreßzentrum und dem Verkauf des Gästehauses bestehen. Damit eine möglichst große Öffentlichkeitswirkung dabei herauskommt, will Kudella eine Sondersitzung der Bürgerschaft beantragen.
Dann kann sich das Parlament auch mit einer Aussage des Maritim-Bevollmächtigten Horst-Gerhard Schewelies auseinandersetzen, die dieser gestern gegenüber der taz machte. Zum Zeitpunkt des Abrisses der alten Villa hatte Maritim nämlich das Interesse an dem Objekt bereits weit
gehend verloren. Da der Abrißantrag vom 22.12.1989 immer noch nicht beschieden gewesen sei, habe man bei Maritim bereits entschieden gehabt, dem Senat das Gästehaus zum Rückkauf anzubieten. Schewelies: „Wir haben gesagt: 'Bitte Senat, nimm das Gästehaus zurück.'“ Ein Erhalt des Hauses wäre also ohne größere Schwierigkeiten möglich gewesen. Nach Schewelies war das Interesse Maritims an dem Objekt ohnehin nie sehr groß. Nachdem der Senat zwei Jahre vergeblich versucht habe, das Haus zu ver
kaufen, habe man schließlich „schweren Herzens angebissen.“ Der Biß erfolgte übrigens zu genau der Zeit, als die Qualitätsverbesserungen bei der Kongreßzentrumsausstattung vereinbart wurden. Schließlich die Begründung von Schewelies, warum der vereinbarte „pflegliche Umgang“ mit der historischen Bausubstanz zum Abbruch wurde: Eine Renovierung des Hauses wäre teurer gewesen, als Abriß und Neubau.
Trotz Urlaubszeit beginnt es jetzt auch in der SPD-Fraktion zu rumoren. Die Abgeordnete Barbara Noack, die vom Ortsverein Schwachhausen beauftragt war, das Thema Gästehaus -Abriß in die Fraktion zu bringen, ist „unheimlich sauer.“ Noack: „Wieder Maritim und wieder so kurzfristig. Ich werde das nicht auf sich beruhen lassen.“ Und ein lieber ungenannter SPD-Parlamentarier kündigte an, daß in der Fraktion „die Fetzen fliegen werden.“ Vorwurf an Kunick: Der sei während des Abrisses einfach weggetaucht und für niemanden zu sprechen gewesen.
Bürgermeister Klaus Wedemeier findet die Nacht- und Nebelaktion voll in Ordnung. Nachdem er am Montag vor kritischen Fragen davon gelaufen war, ließ er gestern schriftlich mitteilen, daß der Senat den Bau von Eigentumswohnungen begrüße, um den Wohnungsmarkt zu entkrampfen. Wedemeier: „Dies kommt schließlich auch sozial schwächeren Mietern zugute.“
Holger Bruns-Kösters
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