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■ Ein Gespräch anläßlich einer Ausstellung von William S. Burroughs in Frankfurt
Ein paar Verirrte im Labyrinth der Kunst, heißt es, neideten William S. Burroughs seinen „Erfolg“ als Maler, schließlich habe er sein Terrain in der Literatur erobert und solle sich aus der Malerei heraushalten. Jürgen Ploog, Burroughs-Freund und -Verehrer, selbst Schriftsteller und Lufthansapilot, hatte seinen Flugplan so eingerichtet, daß er Burroughs höchstpersönlich über den Atlantik navigieren konnte. Und hat er's gut gemacht? „Well, yes, I got here.“ Beim Fliegen, sagt Burroughs, müsse man sehr wachsam sein.
Haben sich Kunst und Wissenschaft gemäß seiner Voraussage aus den Sechzigern angenähert? „Nein, die Wissenschaft sperrt sich ziemlich unerbittlich gegen jegliche Art von Synthese.“ Und Leute wie Rudy Rucker zum Beispiel, der sich als hochkarätiger Mathematiker mit so Kleinigkeiten wie der vierten Dimension beschäftigt und parallel dazu Cyberpunkromane schreibt (Was? Das soll Kunst sein?) „Sicher gibt es da Berührungspunkte. Ich persönlich habe mich immer für wissenschaftliche Entwicklungen interessiert, die physischen Wahrnehmungen. Ein irischer Wissenschaftler sagt, daß nichts existiert, bis es nicht beobachtet wurde, Klee sagt genau dasselbe. Kunst gibt nicht Natur wieder, sondern macht sichtbar. Der Künstler sieht etwas, das sonst niemand gesehen hat. Und indem er es sieht, beobachtet und malt, macht er es sichtbar für andere. Etwas, was nicht existierte, bis er es beobachtet hat. Ich bezeichne meine Kunst als naguale Kunst, die gleichzeitig Wahrnehmungskunst ist.“
Im Januar 1989 schrieb Burroughs über naguale Kunst: „In den Carlos-Castaneda-Büchern unterscheidet Don Juan zwischen dem tonalen Universum und dem nagualen. Das tonale Universum ist das alltägliche Ursache-Wirkung -Universum, das naguale ist das unbekannte, unvorhersagbare, das unkontrollierbare. Um im Nagualen Zutritt zu erlangen, muß die Tür des Zufalls offenstehen. Das Zufallsprinzip spielt hier mit: Der vielleicht grundlegendste Zufallsfaktor ist der Gewehrschuß, der eine Farbexplosion in unvorhersehbare, unkontrollierbare Muster und Formen umsetzt. Ohne diesen Zufallsfaktor kann ein Künstler nur das tonale Universum kopieren, und seine Kunst ist vorhersagbar wie das Universum, das er kopiert.“
A propos Erweiterung des Bewußtseins, was ist mit Surfen im Cyberspace? Kann das mit Geräten wie zum Beispiel Mindmachines geschehen? „Mindmachines sind zu individuell, not the way to go. Man hat diese Brille auf, Kopfhörer über den Ohren, das Licht flackert, man hat eine Frequenz auf dem einen Ohr, eine andere auf dem anderen Ohr. Aber es gibt kein Feedback zwischen den eigenen Hirnwellen und den Maschinen, jedenfalls nicht bei den herkömmlichen, einfachen Modellen. Mich interessieren die sophisticated Modelle, die wiederum deine Hirnwellen aufnehmen und darauf antworten.“ Die Cyberpunkautoren werden ja oft als seine literatische Söhne bezeichnet. Läßt er sich adoptieren? „Das ist eine sehr interessante Entwicklung. Sie zeigen Sachen auf, die ich schon seit Jahren aufzeige, daß ein Bild genauso real sein kann wie die sogenannte Reallogik. Denn die beispielsweise mit Laserfotografie und Computern erzeugte Realität kann genauso real sein wie jede sogenannte Realität, und darüber schreiben sie. Ich habe ein Areal aufgezeigt, an dem sie interessiert sind. Wir arbeiten entlang derselben Linien, in derselben Richtung.“
William S. Burroughs fragt, wie die Blume heißt, die mein Kollege am Revers trägt. Er fragt, ob William Gibson schon ins Deutsche übersetzt wurde. Er fragt, ob ich schon mal in Vancouver war... Ich bedauere, daß ich ihn nicht mehr gefragt habe.
Petra Klaus
Gemälde von William S. Burroughs in der Galerie waschSalon noch bis zum 14. Juni 1990, Fuchshohl 95, 6000 Frankfurt 1, donnerstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr. Katalog 12 DM.
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