: Büschelohrmakis Rückkehr
Ein Lehrer aus dem Sauerland entdeckt auf Madagaskar angeblich seit 1875 ausgestrobenen Primatenwinzling ■ B U N S E N B R E N N E R
Er ist 14 Zentimeter lang, wiegt weniger als eine Tafel Schokolade, verfügt über buschige Ohren, kugelrunde Augen und einen Schwanz, der die Maße seines Körpers übertrifft und doch ist er mit uns verwandt. Er hört auf den freundlichen Namen Büschelohrmaki, ist der zweitkleinste Primat der Welt und seit 1875 ausgestorben - behaupteten die Wissenschaftler. Fünf Exemplare des Halbäffchens „Allocebus trichotis“ - schwimmen seit über 100 Jahren in Alkohol - madegasischem Rum - gehütet in den naturkundlichen Museen zu London, Stockholm und Paris. Doch er lebt.
Bernhard Meier, Biologe und Lehrer aus dem sauerländischen Lennestadt, hatte keineswegs das langschwänzige Leichtgewicht im Sinn, als er den Urwald Madagaskas durchstreifte. Objekt seiner Begierde war das „Eiei“, ein seltenes Fingertier, das er in abgelegenen Gebieten suchte. Doch „die Einheimischen“, erzählt Meier, „berichteten von einem Tier, das sie für einen Mausemaki hielten.“ Eine glatte Fehlinformation, wie der Fremde aus dem Sauerland anhand der Beschreibung sofort erkannte: „Es konnte sich nur um einen Büschelohrmaki handeln.“
Und tatsächlich: Auf dem Rückweg von einer ersten Expedition huschte das Tierchen durch den Scheinwerferpegel seiner Helmlampe: „Leider hatte ich hohes Fieber, wir waren ohne Proviant und mußten zurück.“ Doch Büschelohrmaki ließ sich nicht lumpen, trat wenig später an gleichem Ort mit seiner ganzen Familie an, ließ sich gar fangen, fotografieren und vermessen, bevor er samt Anhang im Busch verschwand.
Ob der Insektenfresser und Honigschlecker weiter überleben wird oder Bernhard Meiers Freude von begrenzter Dauer bleibt, weiß heute niemand. Die madegasischen Urwälder sollen wirtschaftlich zweifelhaften Kaffeeplantagen Platz machen. Hilfe will die Unesco spenden, die ein Programm zur Rettung der Regenwälder mit dem Maki als Symbol zu realisieren gedenkt. Damit die Freude nicht wieder in madegasischem Rum ertränkt wird.
Text und Foto:Mike Seidensticker
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