: Neues Säbelrasseln in Nahost
Ex-Verteidigungsminister Rabin reagiert auf Bagdader Drohung mit Gegendrohung und will „mit zehnfacher Kraft zurückschlagen“ / USA nennen Iraks Drohung „unverantwortlich und skandalös“ ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Scharf haben führende israelische Politiker auf die am Montag ausgesprochene Drohung des irakischen Staatspräsidenten Saddam Hussein reagiert. Hussein hatte erklärt, falls Israel einen militärischen Schlag gegen den Irak planen sollte, werde der Irak „die Hälfte Israels auslöschen“. Der irakische Präsident hatte dabei behauptet, sein Land verfüge über sogenannte „binäre Chemiewaffen“, die sonst nur noch „die USA und die UdSSR besitzen“. Hussein, der sich in seiner Erklärung auf die Existenz israelischer Nuklearwaffen bezog, meinte weiter: „Diejenigen, die uns mit der Atombombe bedrohen, werden wir mit Chemiewaffen auslöschen.“ Das Besondere an chemischen Binärwaffen - über die der Irak freilich kaum verfügen dürfte - ist nicht eine gesteigerte toxische Potenz, sondern schlicht und einfach die Tatsache, daß sie sich aus zwei chemischen Komponenten zusammensetzen, die - jede für sich gelagert vergleichsweise harmlos sind. Der Umgang mit solcherlei Chemiewaffen ist daher weit sicherer als der mit konventionellen.
Ex-Verteidigungsminister Rabin von der Arbeiterpartei setzte in seiner Antwort an Saddam Husseins Drohung noch eins drauf und äußerte: „Israel verfügt über eine angemessene Antwort auf die irakischen Drohungen und wird mit zehnfacher Kraft zurückschlagen. Israel ist stark, und der Irak befindet sich in Reichweite eines Angriffs unsererseits.“ Außenminister Arens dagegen wollte in der Bagdader Drohung nicht nur einen Angriff auf die Sicherheit Israels sehen, sondern er meinte: „A-, B- oder C-Waffen in den Händen arabischer Staaten sind eine Bedrohung der ganzen Welt. Wir wollen die Welt auf diese Gefahr aufmerksam machen und zeigen, wo die tatsächlichen Gefährdungen des Weltfriedens liegen.“ Darüber hinaus meinte er, daß sich Israel eine härtere Gangart der USA gegenüber dem Irak wünsche. Die Vereinigten Staaten hatten die Äußerungen von Saddam Hussein als „unverantwortlich und skandalös“ verurteilt. In einer ohnehin explosiven Region sollte niemand dem möglichen Einsatz von chemischen Waffen das Wort reden, meinte eine Sprecherin des Außenministeriums in Washington.
Der bekannte israelische TV-Kommentator Ehud Jaari sprach am Montag abend aus, was viele Menschen in der gesamten Region beunruhigen dürfte: „Von nun an werden wohl Giftgasraketen zum Abschreckungsarsenal gehören, zumindest solange, bis der Irak Atomwaffen zur Verfügung hat.“ Jaari sagte auch, nun sei endgültig der Zeitpunkt gekommen, an dem alle Staaten ihre Zulieferungen an den Irak zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen einstellen müßten.
Kein Zweifel besteht daran, warum Saddam Hussein jetzt diese Drohung ausgesprochen hat. Denn er scheint - nachdem vergangene Woche auf dem Londoner Flughafen Heathrow der Versuch, Zünder für eine mögliche irakische Atombombe zu beschaffen, gescheitert war, nun mit einem militärischen Schlag Israels gegen das irakische Atomwaffenprogramm zu rechnen. Schon vor neun Jahren, am 7. Juni 1981, haben israelische F 15- und F 16-Bomber das ehrgeizige irakische Nuklearprojekt „Tammuz“ im unweit von Bagdad gelegenen Osirak in Schutt und Asche gelegt. Einem neuerlichen Militärschlag dieser Art will der irakische Staatspräsident jetzt offenbar durch seine Giftgas-Drohungen vorbeugen.
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