: „Abbruch nur in Not“
Ingvelde Rödelstab ist Leiterin der Abteilung Bildung, Familie und Jugend beim Hauptvorstand der DDR-CDU ■ I N T E R V I E W
taz: In den Sondierungsgesprächen für eine Koalition mit der SPD hat die CDU versichert, es solle keinen Paragraphen 218 in der DDR geben. Ist das nur leere Versprechung?
Ingvelde Rödelstab: Was für eine merkwürdige Frage. Haben Sie den Eindruck, daß wir nur leere Versprechungen machen?
Innerhalb der CDU gibt es starke Stimmen, die das bisherige Gesetz der Fristenlösung ablehnen. Herr de Maiziere hat auf dem CDU-Sonderparteitag diejenigen gelobt, die 1972 in der Volkskammer gegen das Gesetz votierten.
Er hat sie gelobt, weil sie Verantwortung zeigten für das ungeborene Leben. Und das sollte doch gerade für uns Christen die allerwichtigste Aufgabe sein.
Ist unter der CDU also doch ein Paragraph218 möglich?
Das wird die zukünftige Koalitionsregierung entscheiden.
Im Entwurf des Runden Tisches für eine Sozialcharta heißt es: „Das Recht der Frau auf selbstbestimmte Schwangerschaft und kostenlosen Schwangerschaftsabbruch muß gesichert bleiben.“ Das hat auch die CDU unterschrieben.
Das haben wir mit erarbeitet. Wir haben aber teilweise andere Schlußfolgerungen daraus gezogen. Ich bin zum Beispiel nicht mit der Äußerung von Tatjana Böhm (bisher Ministerin ohne Geschäftsbereich, d.Red.) einverstanden, daß dieses Schwangerschaftsgesetz einen besonderen Wert in unserer Gesellschaft darstellt. Mit der Vereinigung von Ei und Samen beginnt ja schon das Leben; daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung. Es müssen neue ethische Leitlinien festgelegt werden. Unsere AGFamilie hat in einer Konzeption viele Maßnahmen zum Schutz des ungeborenen und geborenen Lebens vorgeschlagen. Damit soll erreicht werden, daß der Abbruch nur noch in Notsituationen angewandt wird.
Welche gesetzliche Regelung stellen Sie sich also vor?
Meine Meinung ist, daß unser Gesetz hier beibehalten werden sollte, aber nur in Verbindung mit Begleitmaßnahmen. Zum Beispiel eine umfassende Aufklärung in der Schule, Ausbau des Netzes der Beratungsstellen für Familienplanung, aber auch für Schwangere in Not, für Frauen, die bereits abgetrieben haben.
Möglicherweise also eine Zwangsberatung zum Schutz des ungeborenen Lebens? Im Entwurf für ein Parteiprogramm steht dazu: „Hilfreiche Beratung bei Anträgen zum Schwangerschaftsabbruch muß dieser Gewissensentscheidung vorausgehen.“
Mit Zwang oder Verboten kann man nichts erreichen. Man muß einfach das ethische Bewußtsein der Menschen bei uns wieder entwickeln. Das wurde in den vergangenen 40 Jahren stark vernachlässigt. Manche Frauen betrachten den Schwangerschaftsabbruch als eine Verhütungsmethode. Dagegen habe ich Einwände. Auch wenn schwangere Frauen immer rauchen. Da wird bewußt das Kind schon in den ersten Lebensmonaten geschädigt. Über die Verantwortung für Körper und Gesundheit müssen wir jetzt offen sprechen.
Interview: Ulrike Helwerth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen