: Noricum-Skandal vor Gericht
■ Heute beginnt der Prozeß um Österreichs größten Waffenskandal / 18 Manager von Staatskonzernen vor Gericht
Wien/Linz (ap) - Einen Tag vor Beginn des Prozesses gegen 18 aktive und ehemalige leitende Mitarbeiter des österreichischen Staatskonzerns Voest sowie seiner Tochterfirmen Noricum und Hirtenberger hat sich gestern das Parlament in Wien mit dem größten Waffenskandal der Nachkriegsgeschichte des Landes befaßt. In dem Verfahren vor dem Landgericht Linz, geht es um illegale Waffenlieferungen an Iran zwischen Juni 1985 und Dezember 1986.
In den Strudel des sogenannten Noricum-Skandals sind auch frühere Spitzenpolitiker der Sozialistischen Partei geraten, so etwa der ehemalige Bundeskanzler Fred Sinowatz sowie Ex -Innenminister Karl Blecha und der frühere Nationalratspräsident und Außenminister Leopold Graz. Gegen sie ist im vergangenen Jahr eine gerichtliche Voruntersuchung wegen des Verdachts der Neutralitätsgefährdung und des Amtsmißbrauchs eingeleitet worden. Presseberichten zufolge sollen sie von den illegalen Transaktionen gewußt haben.
Wegen des Vorwurfs der Neutralitätsgefährdung haben sich auch die 18 Angeklagten zu verantworten. Die Staatsanwaltschaft kommt in der Anklageschrift zu dem Schluß: „Es haben sämtliche Beschuldigte den Tatbestand des Verbrechens der Neutralitätsgefährdung sowohl in objektiver als auch in schuldhafter Hinsicht begangen.“ Die den Angeklagten zur Last gelegten Taten werden als „ein absolutes politisches Delikt“ gewertet. In einem 1.000 Seiten umfassenden Gutachten sind außerdem die gesamten illegalen Kanonen- und Munitionsgeschäfte der Voest-Firmen Noricum und Hirtenberger dargelegt.
Den Angeklagten wird vorgeworfen, die illegale Lieferung von 160 Feldhaubitzen, Ersatzrohren, Granaten und diversem Zubehör an Iran organisiert zu haben. Die Lieferung mit einer Exportlizenz für Libyen hatte einen Gesamtwert von 3,7 Milliarden Schilling (etwa 530 Millionen Mark). Iran, das sich damals im Krieg mit seinem Nachbarn Irak befand, galt seinerzeit als Krisengebiet, und deshalb durften nach österreichischem Gesetz dorthin keine Waffen geliefert werden.
Zwei Schlüsselfiguren können an dem Prozeß, der sich bis ins kommende Jahr hinziehen könnte, nicht mehr teilnehmen, weil sie überraschend gestorben sind. Es handelt sich dabei um den früheren österreichischen Botschafter in Griechenland, Herbert Amry, sowie um den ehemaligen Voest -Generaldirektor Heribert Apfalter.
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