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Mythos in Oldenburg

■ Eine Begegnung der indischen Art mit dem Philosophen Raimundo Panikkar

„Alles Dreifache ist vollkommen“, zitiert der indische Philosoph Raimundo Panikkar das Mahabharata - ein indisches Nationalepos - und ein Dreischritt zog sich durchaus durch Ablauf und Inhalt seiner „Begegnung“ mit Oldenburg am Mittwoch im Rahmen der Karl-Jaspers-Vorlesungen an der Universität, Titel „Mythos und Gegenwart“.

Erste Etappe der Ost-West

Tour-de-Force sollte ein „akademisches Wirtshaus“ in der humanistischen Tradition des unbefangenen Kommunizierens werden - beim gemeinsamen Frühstück von Oldenburger StudentInnen und dem Gast Raimundo Panikkar. Und die StudentInnenverschiedener Fachrichtungen fragten im besten Sinne „hemmungslos“. Die Anschauungen Panikkars waren bekannt: dem Mythos

neben dem Logos Raum zu geben, aus Indiens untergehenden Traditionen und Europas zerstörerischen Prinzipien Erfahrungen zu ziehen. Gefragt wurde mehr nach den Möglichkeiten zur „Gewahrwerdung“ mythischer Wirklichkeiten und nach konkreten Umsetzungen. Panikkar hatte die Hoffnung auf schnelle Antworten zu zerstreuen (Was ist Mythos?), falsche Idealisierungen Indiens zu vermeiden (Besitzt Indien das mythische Denken?) und für das Aushalten von Widersprüchen zu werben (Sie sind katholischer Priester und Hindu?). Der vergnügte 71jährige antwortete eine Stunde.

Die folgende Vorlesung zu „Mythos und Gegenwart“ war die zweite Etappe. Panikkar, der am Morgen bereits von der „Perversion der modernen Naturwissenschaften“ gesprochen hatte, nahm die Rede von der Vertreibung der Geisteswissenschaften aus den Hochschulen auf, stellte aber auch deren wissenschaftliches Versagen zur Diskussion. Die westliche Art, sich vom Mythos „einen-Begriff-zu-machen“, lasse den Westen als „unterentwickelte Region“ erscheinen. Die wissenschaftliche Aufklärung abendländischer Tradition habe in den letzten beiden Jahrhunderten die Mythen „ent -deckt und damit zerstört“, gleichzeitig mit der „Ent -mythisie- rung“ aber auch „Um-mythi sierung“ betrieben, etwa in Form enthusiastischer Idealisierungen gegenüber der Objektivität und Rationalität moderner Erkenntnisweisen. Herausgekommen sei dabei das „uneheliche Kind von Naturwissenschaft und Christentum, die Technokratie“.

Für geboten hält der Religionswissenschaftler nach den Kosmo-und Theogonien des Altertums nun anthropologische und anthropogenetische Mythen, Bilder des Menschen und seiner Entwicklung. Hierzu nannte er drei Aspekte: einmal die Revision der Auffassung vom Menschen als reines „animal rationale“. Sie sei das Ergebnis des einteilenden Denkens der abendländischen Wissenschaft, die sich selbst als „Klassifikator“ und ihre Kriterien der Betrachtung entzieht und damit den Einzelnen in seiner Einzigartigkeit leugnet. Zum zweiten die Absage an das Bild vom Individuum Mensch, der in Wahrheit „Leib, Seele, Gemeinschaft und Kosmos“ sei, und der - drittens - erst in der Erfahrung als Kosmos das notwendige Selbstvertrauen gewinne. Ausführungen zu konkreten Konzepten ließ die (europäische) Zeit nicht zu, Raimundo Panikkar betonte abschließend jedoch auch seine Haltung, keinerlei Rezepte anzeigen zu können. Es gab lang anhaltenden Applaus. drbor

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