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Braucht Jutta Limbach erst ein „Manchester“?

■ Auch nach dreiwöchiger Protestaktion im Moabiter Knast bleibt der Senat stur / Abteilungsleiter geht jetzt in Urlaub

Der Leiter der Abteilung Strafvollzug bei der Justizverwaltung, Christoph Flügge, kann sich auf die Schulter klopfen, wenn er heute seinen Schreibtisch aufräumt, um einen vierwöchigen Urlaub anzutreten: Er hat es geschafft, eine dreiwöchige Protestaktion von Gefangenen in Moabit in einer arroganten Art und Weise auszusitzen, wie es sein Vorgänger Bung unter dem CDU-Justizsenator Rupert Scholz nicht hätte besser machen können. Wenn Flügge im Mai wohlgebräunt und gut erholt von Lanzarote zurückkommt, wird den Moabiter Gefangenen vermutlich der Atem ausgegangen sein.

Das Verhalten des Justizsenats, der sich in in seiner rot -grünen Koalitionsvereinbarung immerhin „menschlicheren Haftbedingungen“ verschrieben hat, sollte Anlaß zum Denken geben: Schließlich ist es in Berlin in den vergangenen Jahren nicht dagewesen, daß Moabiter U- und Strafhäftlinge eine vergleichbare Protestaktion auf die Beine gestellt haben. Daß dazu einiges gehört, weiß jeder, der die Situation in der Moabiter Trutzburg kennt: Bei einem 23 -Stunden-Einschluß in der U-Haft und nachmittäglichem Wegschluß in der Strafhaft bleibt den Gefangenen nichts anderes übrig, als sich über Zuruf aus ihren Zellenfenstern zu organisieren.

„Wir sagen nicht Sieg oder Tod, aber uns ist klar, daß wir jetzt hier gemeinsam kämpfen müssen, damit Schluß ist mit den menschenschindenden und persönlichkeitszerstörenden Verhältnissen in den Häusern I und II des Moabiter Knasts“, hatte es in der Erklärung geheißen, mit der einige Gefangene vor drei Wochen den Beginn eines Hungerstreiks verkündeten. Noch bevor sich zeigte, daß der Hungerstreik kein richtiger Hungerstreik war, sondern hauptsächlich die Annahme der Anstaltskost verweigert wurde, erklärte die Justizverwaltung, sie werde nicht mit den Gefangenen reden. Später hieß es dann: Der Hungerstreik sei kein Hungerstreik, sondern nur eine partielle Verweigerung der Annahme der Anstaltskost einiger weniger Gefangener; an einer Verbesserung der Zustände in Moabit werde gearbeitet.

Daß der Satz „Wir wollen nicht Sieg oder Tod“ signalisiert, daß hier nicht mit einem Hungerstreik auf Geheih und Verderb Forderungen durchgesetzt werden sollen, wollte die Justizverwaltung offensichtlich nicht verstehen. Ein Gespräch mit den Gefangenen hätte Klarheit geschafft und diese möglicherweise zu einer Aufgabe der Protestaktion bewogen, wenn sie den Unmut einmal direkt an den Mann hätten bringen können. Das Fazit: Man muß wochenlang richtig hungern oder wie in Manchester auf die Dächer steigen, um von einem rot-grünen Senat ernstgenommen zu werden.

plu

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