: Daimler-Benz schießt gegen das Kartellamt
■ Daimler-Vize Niefer: Ohne die Hilfe der Westkonzerne sind die Kombinate geliefert
Stuttgart (ap/taz) - Der Stuttgarter Automobilkonzern Mercedes-Benz hat Bedenken des Bundeskartellamts gegen seine geplante Kooperation mit dem einzigen Hersteller von Lastwagen in der DDR, dem Ludwigsfelder IFA-Kombinat, als nicht gerechtfertigt zurückgewiesen. Der für das Lkw -Geschäft zuständige stellvertretende Mercedes -Vorstandsvorsitzende Helmut Werner sagte am Mittwoch in Stuttgart, ohne ein Engagement der westdeutschen Großindustrie drohe der DDR-Wirtschaft „eine Katastrophe“. Investitionen von mittelständischen Betrieben reichten allein nicht aus, um die Wirtschaft in der DDR flott zu machen.
Er habe kein Verständnis für die Haltung von Kartellamtspräsident Wolfgang Kartte, sagte Werner. Die Probleme in der DDR seien so erheblich, daß sie langfristig nur von großen Firmen angepackt werden könnten. „Für die IFA kommen nur wir als Partner in Frage. Karttes Zögern setzt das Leben der DDR-Industrie aufs Spiel“, meinte der Manager. Die Berliner Kartellwächter hatten den Einstieg der Stuttgarter, die eine Mehrheitsbeteiligung an dem Kombinat erwerben wollen, als wettbewerbsrechtlich kritisch eingestuft. Die Behörde verwies auf die führende Position des zum Industriekonzern Daimler-Benz gehörenden Unternehmens und meldete ferner Bedenken gegen die gemeinsam mit MAN geplante Beteiligung von Mercedes am spanischen Lkw -Hersteller Enasa an.
Werner äußerte sich enttäuscht über die bisherige Gestaltung der politischen Voraussetzungen für DDR -Geschäfte. Die westliche Automobilindustrie und ihre Zulieferer hätten bereits „positive Impulse gegeben“. Nun seien schnellstens politische Konzepte gefordert, „sonst ist der größte Teil der DDR-Wirtschaft verschwunden“, wenn am Tag der Währungsunion „die Stunde der Wahrheit“ schlage.
Nach Einschätzung Werners ist es kurzfristig gesehen einfacher für westliche Unternehmen, in der DDR mit Vertriebsgesellschaften zu operieren, als unter den gegenwärtig schwierigen Bedingungen zu produzieren. Der Manager zeigte sich jedoch überzeugt, daß das Engagement seines Unternehmens bei IFA „langfristig einen großen Erfolg“ bringen werde. Er rechne mit einem wachsenden Marktpotential für IFA-Lkws. Der Bedarf, der heute bei etwa 20.000 Fahrzeugen im Jahr liege, werde auf etwa 70.000 Lkws ansteigen. Seinen Angaben zufolge soll zunächst der mittelschwere IFA-Lkw „L60“ verbessert und das Fahrerhaus noch in diesem Jahr durch eine westliche Konstruktion ersetzt werden.
Von den insgesamt 24 Werken, die zum IFA-Kombinat gehören, sind für die Stuttgarter vor allem die drei Betriebe für die Fahrzeug-, Motoren- und Getriebefertigung in Ludwigsfelde, Nordhausen und Brandenburg interessant. Dort sind rund 15.000 der insgesamt 65.000 Kombinatsbeschäftigten tätig. Mit den sächsischen IFA-Werken, in denen der Trabant hergestellt wird, hat sich bereits VW verbunden. Die absehbare Entflechtung des Kombinats vervollständigt die geplante Kooperation von Opel mit dem IFA-Werk Eisenach, wo der Wartburg vom Band läuft.
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