: Steuergeld für Obszönes?
■ Kampf um Kulturförderung in den USA
George Bush versucht es beiden Seiten recht zu machen: Er sei gegen jede Zensur, wolle andererseits aber auch „alles in unserer Macht Stehende tun, um reine Blasphemie zu stoppen“. Es geht um ein Thema, das die Amerikaner seit dem letzten Sommer beschäftigt: Soll oder darf der Staat Kunst fördern, die von einigen oder vielen Bürgern nicht als Kunst, sondern als Schmuddelkram angesehen wird?
Im vergangenen Jahr hatte der erzkonservative Senator Jesse Helms, dem mit dem Schwinden der kommunistischen Bedrohung sein Lieblingsthema abhanden gekommen ist, mit feinem Gespür für das Entrüstungsvermögen seiner puritanischen Landsleute im Senat ein Gesetz eingebracht, wonach Bundesmittel nicht mehr zu gewähren seien für die „Förderung, Verbreitung oder Produktion oszöner oder unanständiger Werke ... oder Werke, welche die Objekte oder den Glauben der Anhänger einer bestimmten Religion oder Nicht-Religion verunglimpfen“. Anlaß für den parlamentarischen Vorstoß war eine in Washington geplante Mapplethorpe-Ausstellung, die von der „Nationalen Stiftung für die Künste“ mitfinanziert werden sollte. Nach Protesten konservativer Gruppen hatte die Corcoran-Galerie die Ausstellung entnervt abgesagt.
Helms erzielte mit seinem Gesetzentwurf zunächst einen Überraschungserfolg im überrumpelten Senat, aber als sich daraufhin in der Kunstwelt ein Sturm der Entrüstung erhob, erlitt er eine Niederlage. Stattdessen wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Förderung von Werken verbietet, die „Sadomasochismus, Homoerotik, die sexuelle Ausbeutung von Kindern oder Personen beim Sexualakt“ zeigen und nicht von „ernsthafter literarischer, künstlerischer, politischer oder wissenschaftlicher“ Bedeutung sind. Das neue Gesetz ist den um die öffentliche Moral Besorgten nicht weitgehend genug. Konservative und religiöse Vereinigungen kämpfen verbissen darum, die Zensur zu verschärfen oder aber die staatliche Kunstförderung ganz zu beenden.
Die Kunststiftung wird sicher nicht so bald dicht gemacht, aber die ständigen, gelegentlich in ganzseitigen Zeitungsanzeigen vorgetragenen Angriffe auf die Behörde dürften mit der Zeit doch Wirkung zeigen. Die Mapplethorpe -Schau übrigens steht immer noch unter Beschuß: In Cincinnati, das als „Bollwerk gegen die Pornographie“ in den USA gilt, liefen die Konservativen Sturm, als das Museum für Gegenwartskunst beschloß, die umstrittenen Bilder zu zeigen. Nun ging das Museum vor Gericht, um sich bestätigen zu lassen, daß die Fotografien nicht obszön sind.
Gerd-Eckard Zehm/dpa
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