: „Wahlkampf brutal“ herrscht in Ungarn
Freie Demokraten werden von den Konservativen verleumdet / Kommunistische Vergangenheit als Wahlkampfkeule eingesetzt ■ Aus Budapest Tibor Fenyi
Wenn morgen die Ungarn zur Stichwahl bei den ersten freien Wahlen seit 1947 antreten, dürfte vielen die Lust an der Demokratie vergangen sein. Der Wahlkampf hat brutale Formen angenommen. Etwas schuld daran ist das komplizierte Wahlsystem, das mit seiner Mischung aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht keine klaren Mehrheiten im ersten Wahlgang zuließ. Bei den Direktmandaten konnten zum Beispiel nur 5 von 176 Sitzen vergeben werden. Besonders das konservative Ungarische Demokratische Forum (UDF), das mit über 24 Prozent der Stimmen vor den Freien Demokraten (21 Prozent) lag, gab der Versuchung nach, mit übler Propaganda die Wähler anderer konservativer Parteien (Kleinlandwirte und Christdemokraten) hinter sich zu bringen.
Unmittelbar nach dem ersten Durchgang erschien in den ungarischen Blättern eine ganzseitige UDF-Anzeige mit dem Titel „Das Demokratische Forum und seine Rivalen“. Darin wurden die Freien Demokraten als „bekehrte Marxisten, die ihre Vergangenheit mit lautem Antikommunismus vergessen machen wollen“, bezeichnet. Und Janos Kis, der Philosoph und Vorsitzende der Freien Demokraten, der seit 1973 in Opposition stand, wurde gar bezichtigt, vom vergangenen Regime „fette Brocken“ abgekriegt zu haben.
Über eine andere Figur der Demokratischen Opposition, Laszlo Rajk ( Sohn des 1949 hingerichteten einstigen Ministers), wurde ausgestreut, man könne dessen demokratischen Ansichten kaum glauben, da sein Vater im spanischen Bürgerkrig auf der Seite der Kommunisten gekämpft habe. Sogar der Leiter einer der beliebtesten TV-Sendungen, der ebenfalls den Freien Demokraten zugehörige Mihaly Raday, wurde beschuldigt, von der KP eine Villa bekommen zu haben. Da nützte es dem Beschuldigten auch nichts mehr, auf seine wirklichen Wohnverhältnisse hinzuweisen: 90 Quadratmeter in einem baufälligen Haus.
Im Gegenzug bildeten die Freien Demokraten ein Bündnis mit der Jugendpartei Fidesz, so daß für einige Kandidaten die Wahlchancen gestiegen sind. Fidesz hatte ja beim ersten Wahlgang mit über acht Prozent der Stimmen landesweit sehr gut abgeschnitten, in drei Wahlkreisen kommen ihre Kandidaten sogar in die Stichwahl.
Auch die konservative Kleinlandwirtepartei kann sich noch Hoffnungen machen, 13 ihrer Kandidaten, die auf den ersten Plätzen stehen, mit Hilfe von UDF durchzubringen. Enttäuschend wird die Bilanz der Sozialisten, nur in drei Wahlkreisen kann sich die ehemalige Staatspartei Chancen für Direktmandate ausrechnen.
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