: Tschnernobyl-Folgen
■ Sanierung soll rund 300 Milliarden Rubel kosten / Bitte um internationale Hilfe / 100.000 müßten evakuiert werden
Genf (ap) - Zur Bekämpfung der Langzeitfolgen der Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl in der Ukraine sind nach Angaben des ukrainischen Wissenschaftlers und Vizepräsidenten der sowjetischen Umweltkommission, Juri Schtscherbak, bis zur Jahrtausendwende Mittel in Höhe von 300 Milliarden Rubel (rund 540 Milliarden Mark) erforderlich. Juri Schtscherbak äußerte am Donnerstag vor Journalisten in Genf den Wunsch, zur Bewältigung dieser Aufgabe solle ein internationaler Hilfsfonds für die Sowjetunion eingerichtet werden.
Nach Schtscherbaks Angaben sind auch vier Jahre nach der Katastrophe in weißrussischen, ukrainischen und russischen Gebieten noch immer vier Millionen Menschen erhöhter radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Er sagte, sein Ausschuß habe die sofortige Evakuierung von 100.000 Menschen aus den am stärksten verseuchten Gebieten vorgeschlagen. Die Schilddrüsen von 1,5 Millionen Menschen seien hohen Strahlendosen ausgesetzt gewesen; allein in der Ukraine werde eine Zunahme der Zahl der Fälle von Schilddrüsenkrebs um das fünf- bis zehnfache befürchtet.
Als Folge der Verseuchung wird laut Schtscherbak auch eine deutliche Zunahme von Leukämie- und Immunschwächeerkrankungen verzeichnet. Diese Krankheiten würden bereits als „Tschernobyl-Aids“ bezeichnet, sagte er. „Wir glauben, daß dies nur der Anfang ist.“ Schtscherbak sprach drei Wochen vor dem vierten Jahrestag der Katastrophe. Die Reaktorexplosion hatte sich am 26.April 1986 ereignet.
Schtscherbak ist Gründungsmitglied der ukrainischen Umweltbewegung. Die Bewegung gegen Atomkraft habe bereits den Bau neuer Kernkraftwerke in der Sowjetunion verhindern können, sagte er. Der ukrainische Oberste Sowjet hat die Schließung der gesamten Kraftwerksanlage in Tschernobyl gefordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen