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Das Abseits als sicherer Ort

■ Zum Ausstieg der Fundi-Prominenz aus GAL und Grünen

Sie sind die ewigen Verlierer, und sie wissen es. Die schonungslose Offenheit, mit der Thomas Ebermann und Rainer Trampert als theoretische Köpfe des ökosozialistischen Flügels der Grünen diesen Umstand in ihrer von rund 50 Hamburger Anhängern unterschriebenen Austrittserklärung benennen, nötigt Respekt ab. Lange warteten sie damit, ihren historischen Fehler öffentlich einzugestehen: über zehn Jahre unter falscher Flagge gesegelt zu sein, sich über mehrere Legislaturperioden hinweg gegen die eigene Überzeugung im Parlamentarismus getummelt zu haben. Bevor sie also anfangen, sich wieder neu zu organsieren, wird, wenn auch zögerlich, Vergangenheitsbewältigung betrieben.

Das fehlt bei denen, die sich zuvor aus der GAL verabschiedet haben. Auch den Realos - jetzt organisiert als „Grünes Forum“ - muß klar gewesen sein, gemeinsam mit den Ebermännern nie und nimmer auf einen grünen Zweig kommen zu können. Bei ihnen dominierte die pragmatische Überlegung, sich lieber mit knallroten Federn zu schmücken als mit gar keinen. Denn: außer Thea Bock war niemand unter den Realos, mit dem sie Wahlkampf hätten machen können. Und noch heute trauern selbst CDU-Abgeordnete den parlamentarischen Auftritten Ebermanns nach. Öffentlich beklagt wird die gähnende Langeweile, die von den Elb-Realos ausgeht. Sie kriegen den Spannungsbogen nicht hin, nach dem die grüne Seele dürstet: sich im Ortsausschuß vehement für Fahrradhäuschen einzusetzen und vor der Fernsehkamera etwas Schlaues sagen zu können, wenn es um die sogenannte große Politik geht. Das „Grüne Forum“ und auch die Rest-GAL hadern mit dem Schicksal aller anderen Hamburger Parteien: Ihnen fehlen Personen mit politischem Intellekt, mit analytischem Verstand und mit persönlicher Ausstrahlung.

Insofern ist die ausgetretene Fundi-Prominenz in diesem Meer des Mittelmaßes ebenso fehl am Platz wie im Parlamentarismus überhaupt. Außerhalb des Bundestages und der Landtage wollen sie alten Idealen treu bleiben: Die (derzeitige?) Absage an eine Zusammenarbeit mit der PDS begründen die in die Jahre gekommenen, selbsternannten Linksradikalen mit der rasanten Sozialdemokratisierung der Gysi-Partei, weniger mit deren Vergangenheit. So machen sie sich weiter auf die Suche nach einem revolutionären Subjekt - irgendwo zwischen Hamburger Hafenstraße und Befreiungsbewegungen in Jeweiterwegdestobesserfürdieinternationalesolidarität- -Ländern: das Abseits als sicherer Ort. Gut für die nun ungestörten Reformpolitiker bei den Grünen, schlecht für den Unterhaltungswert und die intellektuelle Herausforderung in der Politik.

Axel Kintzinger

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