: „Wir sind eine schön geschmückte Braut“
■ Interview mit dem Intendanten des RIAS, Dr. Helmut Drück, zur Zukunft seiner Anstalt, die ihre Berechtigung nun nicht mehr aus der Berichterstattung über die Grenze hinweg ableiten kann / Was wird aus dem Sender und seinen 850 Mitarbeitern?
taz: Fühlen Sie sich als Intendant des RIAS nach der sogenannten Wende in der DDR nicht ziemlich überflüssig?
Drück: Nein, überflüssig überhaupt nicht, hier arbeiten über 850 Menschen. Das ist ein Sender, der hat jeden Tag 48 Stunden Hörfunk und vier bis fünf Stunden Fernsehen, das ist ein Rundfunk-Unternehmen, und das muß gemanagt werden.
Wir meinten das auch mehr auf den Programmauftrag bezogen.
Der Programmauftrag wird im Moment in einer Weise wahrgenommen, daß wir jeden Tag darin bestätigt werden, etwas Richtiges und Gutes zu machen. Da kommt eine Flut von Briefen, im Februar waren es 300.000, im März wohl eine halbe Million. Karten und Briefe, die uns bestätigen, wir erreichen unsere Zuhörer und Zuschauer.
Sie meinen also, weiterhin der Information der DDR -BürgerInnen dienen zu müssen?
Ich glaube, daß diese Aufgabe noch längst nicht ausgelaufen ist. Die wird eine Wandlung erfahren, aber im gegenwärtigen Moment, wo drüben noch alles im Fluß ist, wo wir überall noch die alten Strukturen sehen - obwohl es gewisse Absichtserklärungen gibt - also da ist die Frage nach der Daseinsberechtigung des RIAS eindeutig mit Ja zu beantworten.
Aktuelle Kamera und AK zwo machen das doch schon ganz gut...
Ich finde, das sind sehr lebendige und gute Sendungen. Aber strukturell hat sich drüben noch nicht viel geändert. Es hat sich auch noch nicht so viel geändert, was die Menschen angeht, die die Programme machen.
Aber bei Ihnen, das sagt der RIAS ja selbst, soll sich jetzt strukturell einiges ändern. Wie wollen Sie die Existenz des RIAS sichern?
Wir müssen den Programmauftrag neu definieren, was die Entwicklung des Umfelds angeht. Da sind drei Bereiche, auf denen wir uns tummeln werden. Wir werden das begleiten, was sich jetzt innerhalb Deutschlands tut in den nächsten Jahren. Insbesondere werden wir das auch begleiten mit den Augen, die das Ausland auf uns wirft, wie die Nachbarn die deutschen Dinge einschätzen. Das zweite ist die Begleitung der Europäischen Einigung, damit meine ich nicht nur die EG, sondern auch die neue europäische Friedensordnung unter dem Dach der KSZE. Hier wird Berlin als Metropole ja eine besondere Funktion zukommen. Das dritte ist die Anknüpfung an die alte RIAS-Tradition: die atlantische Brücke. Wenn die militärische Präsenz ihre Bedeutung verliert, was wir wohl alle begrüßen, dann ist um so wichtiger, daß die kulturelle, die publizistische Präsenz gewahrt bleibt.
Es ist auch die Rede davon, daß sich der RIAS jetzt wieder mehr auf seine „antifaschistischen Traditionen berufen“ wolle. Wo kommen die jetzt plötzlich her?
Plötzlich würde ich überhaupt nicht sagen. Die waren immer Teil des kritischen Journalismus, der im RIAS gepflogen wurde. In der Anfangsphase war das ja sowieso ganz klar. In all den Programmen bis in den Herbst 1989 hinein wurde natürlich gegen autoritäre Systeme, gegen Stalinismus und ähnliches mit eindeutig aufklärerischer Programmgestaltung Stellung genommen. Und es gibt in den letzten Monaten und Wochen einige Töne, die begleitet werden müssen. Diese Töne kann man auch zurückverfolgen auf Dinge die - etwas verkürzt formuliert - vielleicht faschistoid genannt werden könnten.
Natürlich haben auch Ihre Kollegen von den privaten Sendern gesagt, der RIAS ist jetzt überflüssig. Meinen Sie, daß Helmut Kohl bei den hohen Wiedervereinigungskosten genug Geld für den RIAS ausgeben wird?
Vermutlich wäre in dem großen Topf das Geld vorhanden. Ob es für uns ausgegeben werden kann, ist die Frage. Da sind rechtliche Punkte berührt. Denn Steuermittel, das ist das Geld, von dem RIAS lebt, dürfen nicht für innerdeutsche Programme ausgegeben werden. Und RIAS wird ja früher oder später ein Binnenprogramm innerhalb des Geltungsgebietes des Grundgesetzes sein - bis dahin muß ein anderer Programmauftrag oder eine andere Finanzierung gesichert sein.
Wie sollen die zukünftigen Strukturen des RIAS denn nun aussehen? Von einem Verwaltungsrat ist die Rede, wer soll denn da drin sitzen?
Das ist alles noch im Fluß, da wird dran gearbeitet. Es sollen Persönlichkeiten sein, die ausgewiesen sind als Experten in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht. Etwa Wirtschaftsprüfer, Steuerfachleute, Leute aus dem Finanzausschuß des Bundestages. Sie sollen nicht von den Trägern des RIAS, sondern von Institutionen von außerhalb benannt werden.
Glauben Sie, daß das einem rot-grünen Senat reichen wird? Der fordert doch mehr demokratische und gesellschaftliche Kontrolle.
Bei solchen Dingen muß man auch Schritt für Schritt arbeiten. Jetzt ist erst einmal der Verwaltungsrat auf der Tagesordnung. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn wir eines Tages mal einen Beirat hätten, der die Programme in dieser Weise begleitet. Jetzt steht das noch nicht an.
Sie wollen Ihre Existenz auch über Kooperationen mit anderen Sendern sichern. Wird der RIAS dann Produktionsgesellschaft für andere werden?
Nein, Kooperation bedeutet, daß wir mit anderen Anstalten so zusammenarbeiten, daß beide einen Vorteil davon haben. Das ist hier am Ort natürlich in erster Linie der SFB. Wir wären ja ursprünglich schon gern mit RIAS TV auf das dritte Programm des SFB gegangen. Das hat sich damals nicht realisiert. Solche Pläne holen wir jetzt wieder hervor. Da fühlen wir uns dann auch im besseren Umfeld, nicht wie heute bei SAT 1 oder Schamoni.
Sie sind ja ein Sender in Rechtfertigungsnot. Bei Kooperationen können Ihre Partner doch die Bedingungen diktieren.
Würde ich nicht so sehen. Wir sind eine schön geschmückte Braut, wir bringen ein tolles Programm ein. Wir bringen Reichweite mit, wir haben einen hervorragenden Mitarbeiterstamm. Alle, die mit uns zusammenarbeiten werden, können darüber sehr froh sein.
Interview: kotte
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen