: D2-MAC droht Begräbnis dritter Klasse
■ Einführungsstrategie für hochauflösendes Fernsehen muß neu gestrickt werden
Mit einem verärgerten Unterton eröffnete der Chef der Deutschen Philips, Cornelis Bossers, letzte Woche eine Diskussionsrunde über das hochauflösende Fernsehen in der Bonner Friedrich-Ebert-Stiftung.
Anlaß für den Ärger des Industriebosses ist ein erneuter Flop beim europäischen Satellitenfernsehen. Der verbesserte europäische Sendestandard MAC erweist sich schon kurz nach seiner Einführung als Totgeburt, und das gerade zu einem Zeitpunkt, in dem die europäische Geräteindustrie sich anschickt, erstmals in größerem Stil Satelliten-Decoder auf den Mark zu werfen. 700.000 Decoder sollten es in diesem Jahr sein, allein 400.000 aus Philips-Produktion. Doch die Funkfunkanstalten ziehen nicht mehr mit.
Zwar haben die Bundesrepublik und Frankreich 1985 vereinbart, Fernsehprogramme über ihre baugleichen Satelliten TDF und TV-Sat in der neuen Norm auszustrahlen. Die Franzosen allerdings nutzen drei der vier Kanäle für ein eingeschränktes Publikum, nämlich Abonnenten von Pay-TV. Die deutschen Fernsehanstalten strahlen ihre Satellitenprogramme in D2-MAC codiert über TV-Sat 2 aus, aber auch parallel über Kopernikus im Standardsystem PAL. Und die Privaten sind inzwischen ohnehin auch über ganz normale Hausantennen in gleicher PAL-Qualität zu empfangen.
Dieter Bopp, medienpolitischer Stratege in der NRW -Staatskanzlei, stellte stellvertretend für die öffentlich -rechtlichen, die privaten Sender und die Bundespost die Frage, ob ein leistungsfähiger Satellit letztendlich zehn Jahre lang für eine Milliarde Gesamtkosten „Fernsehen für Blinde“ ausstrahlen soll. Er böte genügend andere Übertragungsmöglichkeiten, beispielsweise für Spartenprogramme oder auch für die Erprobung des zukünftigen hochauflösenden Fernsehens.
Während sich Philips-Chef Bossers noch ärgerte, räkelte sich Rainer Wagner von der deutschen Sony gemütlich am Podium: „Ich kann mich hier genüßlich zurücklehnen.“
In der Tat hat Sony zur Zeit die besten Karten im Spiel um den international heiß umkämpften HDTV-Markt. Sony hat zusammen mit der japanischen Rundfunkgesellschaft NHK den fortgeschrittensten Standard entwickelt und erprobt ihn schon seit einem Jahr regelmäßig auf den fernöstlichen Inseln. International ist der Multi bestens im Geschäft, denn er setzt den wichtigen Produktionsstandard, das heißt die zukünftige Norm, mit denen die Film- und Fernsehstudios in aller Welt produzieren sollen.
Die Europäer - unter ihnen an führender Stelle Philips hatten versucht, bei der letztjährigen Funkausstellung zur Protektion der eigenen U-Elektronik-Industrie einen eigenen Standard namens HD-MAC gegen die Japaner zu setzen.
So oder so, für Europa wird mit ziemlicher Sicherheit ein eigener Standard für die Übertragung und für die Endgeräte kommen. Sony hat sich längst damit abgefunden, daß es nicht gegen die geballte politische Macht der europäischen Kleinstaaten ankommt. Im professionellen Sektor aber, beispielsweise in der Medizintechnik, in der Flugüberwachung, aber auch auf dem Konsumermarkt bei HDTV -Videorecordern - Bildplatten usw. will Sony mit einer Überflutung des Softwarenmarktes seinen Standard durch die Hintertür auch in Europa durchdrücken.
ARD und ZDF ihrerseits setzen auf ein wesentlich verbessertes PAL-System (Q-Pal, I-Pal usw.), in dessen Genuß sogar alte Normalfernseher kommen können. In Bonn wurde damit klar, daß die Zwischentechnologie D2-MAC mit einem Spitzengespräch zwischen allen Beteiligten am 23. April nun seine Beerdigung dritter Klasse erfahren wird.
-boff
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