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Unklare Zukunft für die Intershops

Forum GmbH sucht Westkontakte / Wer täglich eine DM verdient, klaut nicht / 1989: eine Milliarde DM Umsatz  ■  Von Katja Rietzler

Über ein Vierteljahrhundert gehörten die Intershops zur DDR wie Trabis und Wartburgs. Doch mit der Währungsunion im Sommer schlägt auch für diese Institution des Arbeiter- und Bauernstaates die letzte Stunde. Als Devisenbeschaffer haben die Valutaläden dann nämlich ausgedient. Bei der Großhandelsorganisation Forum GmbH, die als eine von wenigen Unternehmungen die Auflösung des Schalck-Golodkowski -Imperiums überlebt hat und nach wie vor die Intershops beliefert, wird deshalb eifrig an einem Umgestaltungskonzept für die Läden gebastelt.

Mit einem neuen Image und einem erweiterten Sortiment sollen es die Geschäfte auch mit westlichen Supermarktketten aufnehmen können. „Wir werden uns natürlich auch einen neuen Namen überlegen müssen“, erklärt der stellvertretende Forum -Generaldirektor Dr. Klaus-Peter Thiel. „Mit 'Intershop‘ verbindet die Bevölkerung schließlich eine Einrichtung, die es in dieser Form nicht mehr geben wird.“

Die Umwandlung der Intershops in eine moderne, wettbewerbsfähige Einzelhandelskette wird nicht billig. „Mehrere 100 Millionen Mark werden nötig sein, um einen Teil der Läden zu Supermärkten auszubauen und neue Läden auch in Kleinstädten einzurichten“, schätzt Wirtschaftsprofessor Karl-Heinz Gerstenberger, der bei der Entflechtung des sogenannten Bereichs „Kommerzielle Koordinierung“, mit dem sich das Honecker-Regime Devisen beschafft hat, auch über die Zukunft der Forum GmbH zu entscheiden hatte. Bei diesem enormen Kapitalbedarf ist die Firma an westlichen Partnern interessiert. Zu einigen nicht genannten Handelsunternehmen bestehen bereits gute Kontakte.

Als Außenhandelsbetrieb hatte Forum schon in der Vergangenheit einen guten Draht in den Westen. Konkrete Verträge über eine Zusammenarbeit bei der Umgestaltung der rund 400 Intershops, muß Thiel allerdings einräumen, lassen noch auf sich warten. Die vier eigentlichen Betreiber der Intershops, Mitropa, Interhotel, das Reisebüro der DDR und die Handelsorganisation (HO) haben dabei wenig mitzureden. Sie sind lediglich Kommissionäre, die in eigenen Läden für Forum Waren verkaufen.

Anfang der 60er Jahre wurden die Intershops zunächst als reine Ausländerläden eingerichtet. Erst Jahre später konnten auch DDR-BürgerInnen, die von Verwandten D-Mark geschenkt bekamen oder im Ausland in harter Währung bezahlt wurden, sogenannte „Forum-Schecks“ erwerben, um mit ihnen in den Intershops begehrte West-Waren einzukaufen. Zur Kundschaft gehören auch die über 4.000 Beschäftigten, die pro Arbeitstag eine D-Mark gutgeschrieben bekommen. Mit dieser wenn auch geringen - Vergünstigung konnte Forum Unterschlagungen durch das Personal erfolgreich verhindern. Der Arbeitsplatz im Intershop schien wegen der Einkaufsmöglichkeiten so attraktiv, daß kaum jemand seinen Verlust riskierte.

Auch die Umgestaltung der Intershops soll, so Thiel, niemanden den Job kosten. Während die Läden in den Interhotels ihr Sortiment aus Parfümerieartikeln, Genußwaren und Souvenirs kaum verändern, sollen die übrigen Läden völlig umgekrempelt werden.

Die Manager von Mitropa, dem Betreiber der Intershops an den Autobahnen, können sich auch große Supermärkte an den Fernstraßen vorstellen. „Wir haben noch viel zu wenig Einzelhandelsbetriebe, da müssen wir alle Kapazitäten nutzen“, sagt Mitropa-Generaldirektionär Rolf Kottner. Auch für den Vorschlag aus dem Bundesverkehrsministerium, die Valutageschäfte zu Raststätten umzubauen, kann sich Kottner erwärmen: „Mitropa ist von Haus aus ein Gastronomiebetrieb. Also ist der Ausbau der Intershops zu Raststätten naheliegend.“ Mitropa will die Betriebe weiterführen, und die durchaus interessierte „Gesellschaft für Nebenbetriebe an den Autobahnen“, die entlang der bundesdeutschen Pisten die Gebäude mit dem „R“ im Kreis betreibt, sieht keine Chancen für den Einstieg ins DDR-Geschäft.

Im Gegensatz zu vielen VEB's sind die Intershops ein florierender Geschäftszweig. Allein 1989 brachten es die Läden auf einen Umsatz von über einer Milliarde Mark (West). Seit die DDR-BürgerInnen, deren Käufe über 80 Prozent des Intershop-Handelsvolumens ausmachen, ihr Geld in D-Mark umtauschen können, steigt der Umsatz deutlich an. Denn die Intershops haben einen entscheidenden Preisvorteil gegenüber den bundesdeutschen Geschäften: in der DDR gibt es (noch) keine Verbrauchsteuern.

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