Zwei Große Koalitionen

Stimmen der Opposition zur neuen Regierung / Antithese zur neuen Geheimdiplomatie  ■  Aus Berlin Thomas Bittner

Sollte die Sitzordnung in der Volkskammer beibehalten werden, sitzen sie eingezwängt von den Elefanten der Koalition im Mittelparkett des Hohen Hauses: die alten und neuen Oppositionellen. Zusammengerückt sind sie deshalb aber noch lange nicht. Der Blick geht gebannt in Richtung SPD.

Zahlenmäßig ist die SPD in der neuen Regierung ganz gut bedient, meint Jens Reich (Neues Forum), in der Sache sieht er für die Sozialdemokraten keine Vorteile. Gegen die Pläne der DSU, mit Hilfe des Innenministerpostens eventuell einen Verfassungsschutz einrichten zu wollen, wird sich die Fraktion Bündnis 90/Grüne vehement wehren. Auf der morgigen Sitzung der Volkskammer wollen die Abgeordneten alle Minister vor der (Fernseh-) Öffentlichkeit ins Kreuzfeuer nehmen. Den neuen Verfassungsentwurf, ein Umweltschutzgesetz und eine Vorlage zur Entmilitarisierung will die Fraktion einbringen. Auf jeden Fall soll der peinliche Eindruck der letzten von Formalitäten strotzenden Tagung vermieden werden. Doch schon erweist sich die parlamentarische Demokratie als Bremsklotz, das Präsidium hat die neue Verfassung nicht auf die Tagesordnung gesetzt.

Daß auch ein Teil derjenigen, die in den vergangenen Jahren gegen jede Form von Geheimdiplomatie aufgetreten sind, jetzt im Kabinett selbst solche Politik machen wird, enttäuscht Vera Wollenberger. Der Appell der Bürgerbewegungen-und-Grüne -Fraktion geht an die SPD, ihre Verantwortung für die Demokratie wahrzunehemen. „Nach 40 Jahren großer Koalition wird uns nun wieder eine große Koalition vorgesetzt, diesmal mit anderen Vortunern und zum Teil anderen Mitturnern, mit dem Effekt, daß als ernstzunehmende Opposition ein Häuflein von 20/21 Aufrechten übrig bleibt“, resümiert Jens Reich. Aber gerade die für die Vereinigungs-Hochzeit notwendigen Mitgift-Verhandlungen brauchten These und Antithese.

Auch die neue Situation im Parlament bringt die Fraktion nicht näher an die PDS heran. Als Opposition sei sie nicht überzeugend, da diese selbst eine große Koalition zwischen jahrzehntelang führenden Kräften und alternativen Jugendlichen mit sozialistischen Idealen sei. Hinter der programmatischen Firnis sieht Reich zu wenig Eigenes. Für die PDS sind die Berührungsängste der anderen Oppsition ein Problem, das nicht bei ihr liegt, meint die PDS-Abgeordnete Sylvia Kaufmann. Unter den jetzigen Konstellationen hält sie die ablehnende Haltung der Bündnis 90/Grünen für politisch nicht weitsichtig.