: Unnötige Bauernopfer
■ betr.: "Ich spreche als arische Frau", taz vom 5.4.90
betr.: „Ich spreche als arische Frau“, taz vom 5.4.90
Sicherlich sind die Frauen das Geschlecht der Zukunft. In zwei, drei Generationen sind die Irritationen und Kämpfe auf dem Weg dahin Geschichte. Bis es soweit ist, habe ich aus ureigenstem Interesse heraus drei Wünsche: 1.daß nicht gerade die schwächsten Vertreter der Männerwelt, zum Beispiel ich, und vor allem unsere Kinder unnötige Bauernopfer einer dogmatischen Phase der Frauenbewegung werden. Druck wird umso mehr empfunden, je mehr er nachläßt; 2.daß es den Frauen gelänge, sich zunehmend auf die kollektive Teilhabe an der Macht zu konzentrieren und auf die traditionelle private „Rache am heimischen Herd“ zu verzichten. Klug ist nur, ob Mann oder Frau, wer sich bemüht, erst sich und dann die (Um)Welt in den Griff zu bekommen. Gerade viele Frauen meiner Altersgruppe (um die 45) verpulvern immer noch ihre Energie und die ihrer Männer/Phasengefährten, indem sie ihre gesellschaftliche Unterdrückung durch häusliches Herrinnenverhalten zu kompensieren versuchen: Durch Muffeln, Nörgeln, Meckern, Keifen und andere würdelose Launen bis hin zur Liebenswürdigkeit, Erotik und einem Beischlaf bzw. dem Verzicht darauf aus dummem Kalkül heraus. Gewiß sind das die - mitunter zauberhaften, mitunter unerträglichen Raffinessen von Sklavinnen, die über Jahrtausende von sich selbst und ihren Mitmenschen entfremdet sind und denen als einzig bekämpfbarer Gegner nur noch der einzelne Mensch zur Verfügung steht: Mann, Konkurrentin, Kind. Gleichzeitig stabilisierten sie damit das System, das sie zum Menschen Zweiter Klasse degradierte. Die deutsche Bürgerin könnte schon eher darauf verzichten als ihre Schwestern in der Armen Welt. Ein wenig mehr Gelassenheit, Offenheit und Freundlichkeit von ihrer Seite im persönlichen Umgang wäre hilfreich. Sie trüge im übrigen dazu bei, die - gegenüber Frauen - um 4,7 Jahre geringere Lebenserwartung der Männer in der BRD zu erhöhen und die kriegsmäßig hohe Zahl an alleinstehenden Frauen, Witwen und elternlosen Kinder zu reduzieren. 3.daß mehr Frauen als bisher einen Beitrag gegen den Rassismus leisten, indem sie auf Reisen in die Arme Welt verzichten.
Martin Korol, Bremen
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