Wer hat die DDR verraten...?

■ Die Regierungsmannschaft der DDR ist fast komplett, der Wählerwille wurde dabei bestimmt nicht gewahrt

Noch steht das neue DDR-Kabinett nicht endgültig fest. Gewinner und Verlierer stehen jedoch bereits fest: Die kleine DSU sitzt fett im Sessel des Vizepremiers und darf den neuen Verfassungsschutz aufbauen - und die Opposition, die das SED-Regime stürzte, darf dagegen anrennen. Verloren haben aber auch die Wähler, denen die SPD versprach, niemals mit der DSU zusammenzugehen.

Sollte die Sitzordnung in der Volkskammer beibehalten werden, sitzen sie eingezwängt von den Elefanten der Großen Koalition im Mittelparkett des Hohen Hauses: die alten und neuen Oppositionellen. Zusammengerückt sind sie deshalb aber noch lange nicht. Ihr Blick geht gebannt in Richtung SPD.

Zahlenmäßig ist die SPD in der neuen Regierung ganz gut bedient, findet Jens Reich (Neues Forum), in der Sache sieht er für die Sozialdemokraten keine Vorteile. Gegen die Pläne der DSU, mit Hilfe des Innenministerpostens eventuell einen Verfassungsschutz einrichten zu wollen, wird sich die Fraktion Bündnis 90/Grüne vehement wehren. Auf der morgigen Sitzung der Volkskammer wollen die Abgeordneten alle Minister vor der (Fernseh-)Öffentlichkeit ins Kreuzfeuer nehmen. Den neuen Verfassungsentwurf, ein Umweltschutzgesetz und eine Vorlage zur Entmilitarisierung will die Fraktion einbringen. Auf jeden Fall soll der peinliche Eindruck der letzten von Formalitäten strotzenden Tagung vermieden werden. Doch schon erweist sich die parlamentarische Demokratie als Bremsklotz, das Präsidium setzte die neue Verfassung nicht auf die Tagesordnung.

Daß auch ein Teil derjenigen, die in den vergangenen Jahren gegen jede Form von Geheimdiplomatie aufgetreten sind, jetzt im Kabinett selbst solche Politik machen wird, enttäuscht Vera Wollenberger. Der Appell der Bürgerbewegungs- und der Grünen Fraktion geht an die SPD, ihre Verantwortung für die Demokratie wahrzunehmen. „Nach 40 Jahren großer Koalition wird uns nun wieder eine große Koalition vorgesetzt, diesmal mit anderen Vorturnern und zum Teil anderen Mitturnern, mit dem Effekt, daß als ernstzunehmende Opposition ein Häuflein von 20, 21 Aufrechten übrig bleibt“, resümiert Jens Reich.

Aber auch die neue Situation im Parlament bringt die Fraktion nicht näher an die PDS heran. Als Opposition sei sie nicht überzeugend, hört man. Umgekehrt hält aber auch die PDS-Abgeordnete Sylvia Kaufmann die ablehnende Haltung des Bündnis 90 und der Grünen für politisch nicht weitsichtig.

Thomas Bittner