: Der starke Mann: ein Bodybuilder und Rinderzüchter
Nicht er, sondern Lothar de Maiziere sei der starke Mann, sagt sein zukünftiger Vize Peter-Michael Diestel, der als stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister in das DDR-Kabinett gehen wird. Es wäre auch unhöflich von dem erst 38 Jahre alten DSU-Generalsekretär, dieses Verhältnis umgekehrt zu formulieren, auch wenn es vielleicht der Wahrheit näher kommt.
Eine politische Katastrophe für die Opposition ist die Tatsache, daß ausgerechnet diese CSU-Kopie das Innenministerium führen soll und damit auch die Volkspolizei, die Stasi-Auflösung und den wohl bald neu entstehenden Verfassungsschutz. Er sehe es als eine seiner Hauptaufgaben an, die „Verunsicherung“ der Volkspolizei zu beenden, so Diestel. Konservative lieben nunmal die Polizei
-egal in welcher Uniform.
Peter-Michael Diestel wurde am 14.Februar 1952 auf der Ostsee-Insel Rügen geboren. 1974 begann er in Leipzig Rechtswissenschaften zu studieren, 1986 Promotion. Ab 1978 betreute der gelernte Rinderzüchter eine Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe als Leiter einer Rechtsabteilung, weil ihm, wie er sagt, eine Zulassung als Rechtsanwalt aus politischen Gründen verweigert wurde. Als er sie denn doch erhielt, wollte der Wahl-Leipziger nicht mehr; er wurde 1989 Generalsekretär der DSU. Die Charakterisierung als „starker Mann“ ist nicht nur politisch zu verstehen: Diestel ist begeisterter Bodybuilder, Jogger und gelernter Bademeister. Zu Hause probt der Vater von drei Kindern seine Muckis in einem eigenen Krafttrainingsraum. ***
Sein Parteifreund Hans-Wilhelm Ebeling ist noch mehr als Diestel selbst der lebendige Beweis dafür, daß politische Haltung im Grunde Lebenshaltung ist. Der DSU-Vorsitzende scheint sehr darauf zu achten, immer Mainstream zu schwimmen und das Herrschende zu bejahen. Er war einer der letzten Pfarrer, die im Oktober 1989 ihre Kirche in Leipzig den Demonstranten öffneten, und einer der ersten im konservativen Lager. Ebeling wurde am 15.Januar 1934 in Parchim geboren. Nach einer Schlosserlehre machte er das Abitur nach, studierte Maschinenbau in Dresden und sattelte dann auf Theologie um. Nach einigen Jahren Pfarrerstätigkeit wurde der Vater von vier Söhnen an die Leipziger Thomaskirche berufen. Seit dem 2.Februar ist er wegen seines Parteivorsitzes von seinem Posten beurlaubt. ***
Auch Rainer Eppelmann vom Demokratischen Aufbruch war nicht von Beginn an Pope. Am 12. Februar 1943 in Berlin geboren, arbeitete er nach dem Besuch der Oberschule zunächst als Dachdeckergehilfe und dann als Maurer. Immerhin: Der designierte Verteidigungsminister verweigerte den Kriegsdienst und das Gelöbnis als Bausoldat, was ihm acht Monate Knast eintrug. 1969 begann er in Berlin Theologie zu studieren, seit 1974 war er Pfarrer an der Berliner Samariterkirche und Kreisjugendpfarrer in Berlin -Friedrichshain, wo er Oppositionellen wie Stephan Krawczyk die Pforten öffnete. Eppelmann gehört zu den Mitbegründern des Demokratischen Aufbruchs und war für seine Partei bereits unter Modrow Minister ohne Geschäftsbereich. ***
Nicht ohne Pikanterie ist auch die berufliche Prägung des zukünftigen Ministers für Umwelt, Naturschutz, Reaktorsicherheit und Energie, Karl-Hermann Steinberg von der CDU. Steinberg, am 22.Juni 1941 in Heiligenstadt geboren, arbeitete als Diplomchemiker und Forscher in den Chemieklitschen der Leunawerke sowie als Professor für Technische Chemie an der Karl-Marx-Universität von Leipzig. Der zweifache Vater ist außerdem langjähriger Blockflötenspieler: Bereits seit 1959 gehört er der CDU an, schon seit 1971 spielte er den Blockpartei-Abgeordneten in der Volkskammer. Im Dezember letzten Jahres wurde er zu Lothar de Maizieres Stellvertreter in der Partei gewählt und übernahm unter Modrow das Amt des Vizeministers für Schwerindustrie. Umweltschützern fiel jenes Ministerium besonders unangenehm auf, weil es auf den ungehinderten Ausbau der Atomkraft setzte. ***
Markus Meckel, der von der SPD designierte Außenminister, ist der dritte Pfaffe im Kabinett de Maiziere. Am 18.August 1952 in Müncheberg geboren, belegte Meckel nach dem Besuch der Oberschule ein kirchliches Oberseminar und studierte dann Theologie in Naumburg und Berlin. Anschließend arbeitete er als Hausmeister, nebenher eifrig Hegel und Nietzsche lesend. Seit 1988 leitet der ehrgeizige Sozialdemokrat, der in seiner Partei durchaus nicht unumstritten ist, eine ökumenische Begegnungsstätte der Evangelischen Kirche in Niederndodeleben/ Bezirk Magdeburg. ***
Zum Finanzminister hat die SPD ihr Parteimitglied Dr.Walter Romberg erkoren. Das Jonglieren mit Zahlenwerk ist jener als studierter Mathematiker und Physiker gewöhnt. Romberg wurde am 27.Dezember 1928 in Schwerin geboren. Nach dem Studium promovierte er auf dem Gebiet der Zahlentheorie. Seit 1953 war er Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften, später Chefredakteur einer mathematischen Zeitschrift und Abteilungsleiter im Institut für Mathematik. Seit 1960 wirkte er in kirchlicher Laienarbeit und dann in der Friedensbewegung mit. Auch Romberg war Minister ohne Geschäftsbereich. ***
Abgesehen vom zukünftigen Gesundheitsminister Jürgen Kleditzsch ist die personelle Besetzung der weiteren CDU -Ministerposten noch nicht bekannt. Nach den Koalitionsverhandlungen stehen der CDU das Ressort für Wirtschaft, für Jugend und Sport, für Familie und Frauen, für Verkehr, für Bildung und Wissenschaft und für Kultur zu sowie das Amt des Ministerpräsidenten und des Pressesprechers. Auch bei der SPD sind mehrere Ministersessel noch nicht besetzt: der für Handel, für Arbeit und Soziales, für Post, für Forschung und Technologie sowie für Ernährung und Sport. Die Liberalen schicken ihrerseits den auch schon jetzt im selben Job wirkenden Kurt Wünsche ins Justizministerium. Zum zukünftigen Minister für Länderstrukturen haben sie Manfred Preiss und zum Bauminister Axel Viehweger bestimmt.
Ute Scheub
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