: Lobgesang auf die Marktwirtschaft
■ Das Schlußdokument der KSZE-Wirtschaftskonferenz, das für die Wirtschaftspolitik der nächsten zehn Jahre in Europa bestimmend sein wird
Präambel: Recht auf Eigentum ohne Beschränkung
Die Teilnehmerstaaten
-erkennen an, daß demokratische Institutionen und wirtschaftliche Freiheit den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt fördern;
-streben gemeinsam nach beständigem Wirtschaftswachstum, steigendem Lebensstandard, verbesserter Lebensqualität, rationeller Nutzung der wirtschaftlichen Ressourcen sowie nach Schutz der Umwelt;
-sind überzeugt, daß Zusammenarbeit in den Bereichen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Technik sowie der Umwelt ein wesentlicher Bestandteil ihrer Beziehungen insgesamt ist und in Zukunft noch größere Bedeutung gewinnen sollte;
-sind entschlossen, gemeinsam ihre Zusammenarbeit in diesen Bereichen auszubauen und die Steigerung ihres Wirtschaftswachstums zu betreiben...
-sind der Überzeugung, daß die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen auch das Recht einschließt, Eigentum ohne Beschränkung zu besitzen, zu erwerben, zu veräußern oder auf andere Weise zu nutzen;
-erkennen an, daß die Leistungsfähigkeit marktorientierter Volkswirtschaften in erster Linie auf der Freiheit der Unternehmensgründung durch den einzelnen und dem daraus folgenden Wirtschaftswachstum beruht ...
-sind der Ansicht, daß die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitiken der Teilnehmerstaaten langfristig neue Perspektiven zur Festigung ihrer Wirtschaftsbeziehungen eröffnet.
In Anerkennung des Zusammenhangs zwischen politischem Pluralismus und Marktwirtschaft und in Übereinstimmung mit den Prinzipien
-demokratisches Mehrparteiensystem auf der Grundlage freier, regelmäßiger und echter Wahlen
-Rechtsstaatlichkeit und für alle gleicher Schutz durch das Gesetz auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte sowie wirksamer, zugänglicher und gerechter Rechtssysteme
-Wirtschaftstätigkeit, die die Würde des Menschen entsprechend achtet ... und den Arbeitern das Recht auf Gründung unabhängiger Gewerkschaften und den Beitritt zu solchen vorenthält,
werden sich (die Teilnehmerstaaten) bemühen, folgendes anzustreben bzw. beizubehalten:
-Steuer- und Finanzpolitiken, die ein ausgewogenes, beständiges Wirtschaftswachstum fördern und die Funktionsfähigkeit der Märkte verbessern;
-internationale und nationale Politiken zur Ausweitung des freien Handels, der Kapital- und Investitionsströme sowie zur Rückführung von Gewinnen in konvertierbarer Währung;
-freie und wettbewerbsfähige Marktwirtschaften, in denen Angebot und Nachfrage die Preise bestimmen.
Niederlassungsfreiheit und Statistikaustausch, Verbesserung der Geschäftskontakte
Die Teilnehmerstaaten ... sind sich darin einig, daß auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit jeder den Unternehmen des anderen auf seinem Markt verbesserte Geschäftsbedingungen, besseren Zugang zu Ausstattungen und verbesserte Praktiken einräumt. Die Teilnehmerstaaten erleichtern unterschiedslos Einrichtung und Betrieb von Geschäftsbüros und Firmen in ihrem Land ...
Die Teilnehmerstaaten nehmen sich vor, umfassende, vergleichbare und aktuelle Informationen über Wirtschaft, Handel und demographische Entwicklung ... zu veröffentlichen und verfügbar zu machen. Sie werden zu diesem Zweck der Außenhandels-Datenbank der Vereinten Nationen (COMTRADE) aktuelle Außenhandelszahlen liefern ... Sie werden ferner detaillierte, vergleichbare und aktuelle Daten im Bezug auf Statistiken über die Zahlungsbilanz und das Bruttosozialprodukt mindestens auf Jahresbasis als einen Schritt in Richtung ihrer Integration in Außenwirtschaftsaktivitäten veröffentlichen. Sie betonen, daß nationale Statistiken und Buchführungssysteme im Einklang mit internationalen Normen stehen müssen.
Die Teilnehmerstaaten werden für eine umfassende Zusammenarbeit ihrer statistischen Ämter ... sorgen. ... Vorrang in dieser Zusammenarbeit haben Statistiken auf den Gebieten Außenhandel, Kapitalverkehr, Beschäftigungslage, Verkehr, Ausländer-Fremdenverkehr, Umwelt, Energie- und andere Rohstoffwirtschaft wie etwa Forstwirtschaft und Bodenschätze sowie Industrieproduktion. ...
Verbesserung der industriellen Zusammenarbeit
Jeder Teilnehmerstaat wägt selbst ab, ob er günstige Voraussetzungen für eine industrielle Zusammenarbeit schaffen kann und ob dies in seinem Interesse liegt. ... Sie sorgen für den angemessenen und wirksamen Schutz und die Durchsetzung von gewerblichen und kommerziellen Eigentumsrechten und Rechten auf geistiges Eigentum ...
Unter den Voraussetzungen für den Ausbau der industriellen Zusammenarbeit legen die Teilnehmerstaaten den Schwerpunkt auf eine marktorientierte und kontinuierlichere Wirtschaftspolitik und auf geeignete, zuverlässige Rahmenbedingungen in Recht und Verwaltung, zu denen Elemente gehören wie etwa Steuerrecht, Wettbewerbsrecht und Konkurs und Insolvenzrecht, Gesellschaftsrecht, Schiedsverfahren, gewerblicher Rechtsschutz und Schutz geistigen Eigentums, Investitionsschutz im Rahmen einzelstaatlicher Rechtsvorschriften und multilateraler und bilateraler Übereinkünfte, freier Transfer von Kapital und Gewinnen in Fremdwährung, ein betriebswirtschaftlicher Kontenrahmen, freier Zugang zu Wirtschaftsdaten und Marktinformationen, angemessene Bedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und unternehmerische Entscheidungsfreiheit.
Währung und Finanzen
Die Teilnehmerstaaten sind der Ansicht, daß die Einführung einer unverfälschten internen Preisgestaltung ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaftsreform und ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Konvertierbarkeit der Währungen ist. Sie sind der Meinung, daß beides wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung und für eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit ist. Sie stimmen überein, daß Fortschritte in Richtung auf die volle Konvertierbarkeit und eine effiziente Ressourcenzuweisung ein funktionsfähiges Preissystem erfordern, das die vom Markt bestimmten unverfälschten Inlandskosten, die Verbraucherpräferenzen und Weltmarktpreise widerspiegelt.
Die Teilnehmerstaaten bekräftigen, daß die Konvertierbarkeit der Währungen eine effiziente Verbindung zwischen den Preissystemen des Inlands und des Auslands schafft. ... Es wird daher besonders darauf zu achten sein, daß die Wechselkurse gegenüber anderen konvertierbaren Währungen stimmen und daß über die Preise der Markt entscheidet.
Die Teilnehmerstaaten sind unter den entsprechenden Voraussetzungen bereit zur Zusammenarbeit bei der Schaffung eines effizienten Preissystems und bei der Annährung an eine Konvertierbarkeit der Währungen. Hierfür kommen u.a. folgende Gebiete in Betracht: Reform des Bankensystems, Schaffung eines Geldmarktes, Reform der Investitionsgesetze, Umbau der Unternehmen der öffentlichen Hand, Besteuerung, Strukturanpassung, Aufbau eines Arbeits-, Kapital- und Devisenmarktes und Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung der Konvertierbarkeit.
Die Teilnehmerstaaten erkennen an, daß ein marktorientiertes Finanzsystem die Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit erleichtert ... Während in der Zeit des Übergangs zu einer Marktwirtschaft öffentliche Finanzhilfen für konkrete Vorhaben als Multiplikatoren im Rahmen der Wirtschaftsreformen wirken können, sollten durch ein derartiges Eingreifen die entstehenden Marktmechanismen jedoch nicht verfälscht werden. Die Teilnehmerstaaten stimmen überein, daß privates Kapital schrittweise zur wichtigsten Quelle für externe Finanzierungen werden wird. ...
Sie schlagen vor, daß auf dem nächsten Folgetreffen oder auf einem anderen KSZE-Haupttreffen auf geeignetem Niveau die Möglichkeiten für den Ausbau und die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit geprüft werden sollten, unter anderem durch die Abhaltung von Treffen im Rahmen der KSZE, auf denen in regelmäßigen Abständen die erreichten Fortschritte überprüft und den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Teilnehmerstaaten neue Impulse verliehen werden. ... Sie ersuchen die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa, praktische Maßnahmen zu entwickeln ... (und) die OECD, zu erwägen, Treffen von Experten aus KSZE-Teilnehmerstaaten und OECD -Mitgliedsstaaten zur Förderung des wirtschaftlichen Reformprozesses auszurichten. ...
dpa
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