: Bush-Administration wünscht schnelle Wiedervereinigung Deutschlands
Zwei U.S.-Kongreßdelegationen in Berlin / Pressekonferenz in der USA-Botschaft / An der Nato-Zugehörigkeit gibt es nichts zu rütteln Fortdauernde Stationierung von SU-Truppen auf dem Territorium der DDR als Übergangslösung akzeptiert ■ Aus Berlin Marion Fischer
Am 8. und 9. April hielten sich zwei Delegationen des U.S. -Kongresses zu Gesprächen in Berlin auf. Sie gaben zum Abschluß ihres Besuches Pressekonferenzen in der USA -Botschaft. Unter Leitung des Mehrheitsführers des Senats George Mitchell stand eine über politisch-militärische Fragen verhandelnde Gruppe von Abgeordneten.
Mitchell schätzte seine Gespräche hier als erfolgreich ein. Er zeigte sich von der Entwicklung in der DDR positiv beeindruckt. Die Delegation teile den Wunsch der Bush -Administration nach schneller Wiedervereinigung Deutschlands und dessen anhaltender Mitgliedschaft in der Nato, betonte Mitchell.
Dabei, so Sen. Paul Sarbanes, wolle man den Einigungsprozeß der Deutschen in ein neues europäisches Sicherheitssystem eingebettet sehen - eine übergreifende Zielstellung, über die man auch mit der UdSSR Einigkeit erhoffe. Die fortdauernde Anwesenheit von SU-Truppen auf dem Territorium der DDR sei als „zeitweilige Übergangslösung“ vorstellbar, auch werde die Nato-Mitgliedschaft des künftigen Deutschlands nicht so verstanden, daß Nato-Truppen auf deutschem Territorium stationiert bleiben müßten. Der Charakter der Nato werde sich mit der weiteren Entwicklung in Europa deutlich verändern. So würden auch die USA entsprechend den Fortschritten bei den Wiener Verhandlungen ihre eigenen Truppen in Europa stark reduzieren. Ein „einseitiges Vorpreschen“ in dieser Hinsicht sei nicht dienlich.
Sen. John Glenn fügte dazu an, daß die US-Bevölkerung in nächster Zeit nicht mit einer „Friedens-Dividende“ rechnen könne. Für spürbare Reduzierungen im US-Militärhaushalt müsse u.a. auch erst die Entwicklung Deutschlands und seine künftige Einordnung in die Militärblöcke abgewartet werden.
Einer Frage der taz, wie der Stand der Verständigung mit der DDR-Seite zu Problemen der Einbindung des Prozesses der Einheit beider deutscher Staaten in die europäische Ordnung sei, wich der Abgeordnete Thomas Daschle aus. Er betonte lediglich, daß in Gesprächen mit der Volkskammerführung und Mitgliedern der künftigen DDR-Regierung klar geworden sei, daß man bald mit einer arbeitsfähigen Regierung in Berlin rechnen könne.
Mitchell führte aus, daß die Delegation zu Gesprächen mit Gorbatschow, Schewardnadse und dem sowjetischen Verteidigungsminister Jasow nach Moskau weiterreise, um dort nähere Informationen über die sowjetische Haltung in den anstehenden Rüstungskontrollverhandlungen einzuholen.
Ziel sei es weiterhin, den USA-Standpunkt zu einer Mitgliedschaft des künftigen Deutschlands in der Nato mit Nachdruck vorzutragen. Auch unterstütze der US-Kongresse mehrheitlich die Politik der Bush-Administration, daß es seitens Moskaus keinesfalls zu Gewaltanwendung gegenüber Litauen und dem Baltikum überhaupt kommen dürfe. Die Möglichkeiten weiterer Handelserleichterungen mit der SU wolle man ebenfalls diskutieren, eingeschlossen eine mögliche Kreditgewährung über die Europäische Entwicklungsbank.
Die zweite, wirtschaftspolitische Delegation des Kongresses unter Senator John Heintz reiste ebenfalls nach zweitägigem Aufenthalt in Berlin nach Moskau weiter. Andere Stationen der Reise sollen Polen und Ungarn sein.
Heintz schätzte ein, bezüglich der DDR könne man sehr optimistisch für den Übergang zur Marktwirtschaft sein. Während die meisten osteuropäischen Staaten ebenfalls entschlossen diesen Weg beschritten, hinke die UdSSR bei den Wirtschaftsreformen erheblich hinterher. Dementsprechend befürworte seine Delegation auch weiterhin eine Differenzierungspolitik beim Technologietransfer. Das würde zum Beispiel bedeuten, daß für die DDR die COCOM-Listen soweit aufgehoben werden, wie das gegenüber China Mitte der 80er Jahre der Fall war. Ein Handelsabkommen und die Meistbegünstigung seien für die DDR ebenfalls drin, vorausgesetzt, man einige sich über damit im Linkage verhandelte Besitzansprüche von US-Bürgern gegenüber Vermögenswerten in der DDR.
Auf die Frage, ob denn nicht die Wiedervereinigung diese Verhandlungen schnell überholen könnte, räumte Heintz ein, das könne durchaus passieren. Gerade deshalb wünsche er ein schnelleres und risikofreudigeres Engagement von US -Konzernen in der DDR. Die damit einhergehende Hebung der Schwelle für den Technologietransfer in die DDR würde natürlich eine Verpflichtung der DDR-Wirtschaft einschließen, diese Technologien nicht an die UdSSR weiterzugeben. Grenzfälle, bei denen die DDR jetzt schon Eigenerzeugnisse oberhalb des Niveaus der COCOM-Listen in die SU exportiert, können da natürlich zum Problem werden.
Daraus bleibt von DDR-Seite nur die Schlußfolgerung, daß der Preis für ein Handelsabkommen DDR-USA Restriktionen im Handel mit der SU sind. Unklar ist, ob der Gewinn aus dem US -Geschäft die Marktnachteile im Osten aufwiegen kann.
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