: „Hölle auf Rädern“ auf der Abschußliste
■ Garlstedt: Zieht die US-Panzerdivision wieder ab? / Osterholzer Stadtdirektor fürchtet wirtschaftliche Folgen
„Die 2. Panzerdivision (vorgeschoben) steht bereit.“ 2. Panzerdivision, das steht für die in Garlstedt bei Osterholz -Scharmbeck stationierte Einheit „Hell on Wheels“, und die „Hölle auf Rädern“ ist, laut einer Werbebroschüre aus dem Jahr 1980 der
„spürbare Beweis für die amerikanische Entschlossenheit, die norddeutsche Tiefebene zu schützen“. Zehn Jahre später fragt sich erstens wovor und zweitens, wie lange noch. Noch gibt es zwar nicht viel mehr als erste Hinweise, doch die Wahrscheinlich
keit, daß die Garlstedter Kaserne nach einer Truppenverminderung der US-Army nicht mehr in der bisherigen Form bestehen bleibt, ist groß.
„Hell on Wheels“ ist die letzte Panzerbrigade, die in die Bundesrepublik verlegt wurde. Erst 1976 wurde verkündet, daß Osterholz-Scharmbeck amerikanische Garnisonsstadt werden sollte. Zwei Jahre später weihten Verteidigungsminister Hans Apel und sein amerikanischer Amtskollege Harold Brown die „General Lucius D. Clay Kaserne“ ein. Seit 1980 bereiten sich rund 6.000 US-Soldaten auf die Verteidigung der norddeutschen Tiefebene mit Panzern, Panzerhaubitzen, Flugabwehrwaffen und Hubschraubern vor. Platz ist für weit mehr Soldaten, denn im Kriegsfalle sollten weitere US -Kampfverbände eingeflogen werden und von Garlstedt aus Krieg führen.
Nicht nur die Natur in der Garlstedter Heide wurde durch die Kaserne und dazugehörige Panzertrasse erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Auch die Struktur der 25.000 Einwohner-Stadt Osterholz-Scharmbeck hat sich seither stark verändert. Jeder vierte der etwa 25.000 Einwohner ist US -Soldat oder deren Angehörige, Rund 1.500 Wohnungen stehen für sie in zumeist separaten Siedlungen zur Verfügung. Rund einhundert ZivilistInnen arbeiten bei der US-Army und der Stadthaushalt kassiert jährlich etwa zwei Millionen Mark Abgaben von der Garnison.
Stadtdirektor Erhard Mackenberg fallen bei dem Stichwort Abzug der Amerikaner denn auch zuerst „wirtschaftliche Probleme“ der Kommune ein. In einer strukturschwachen Stadt wie Osterholz-Scharmbeck sei die Army einer der größten Arbeitge
ber und Haushaltsfinanziers. Mackenberg hat gar schon ausgerechnet, um wieviel sich die Kanalgebühren für die Osterholzer erhöhen würden, wenn die US-Kaserne ersatzlos dicht gemacht wird. Ergebnis: 30 Pfennig pro Kubikmeter.
Mackenberg, der zwarmeint, daß sich die Osterholzer „sehr gut“ mit der Kaserne abgefunden haben, geht doch davon aus, daß es so, wie es ist nicht bleibt. Immerhin wird bei den VKSE-Verhandlungen in Wien derzeit von einer Truppenreduzierung der Amerikaner von derzeit 245.000 auf 195.000 Mann ausgegangen. Abgezogen werden wohl vor allem Truppen, die für die „Vorne-Verteidigung“ vorgesehen waren, wie eben der „Hell on Wheels„-Kampfverband.
Und bei der Frage, welche
Standorte abgebaut oder dichtgemacht werden, spielen auch wirtschafliche Erwägungen der Amerikaner eine Rolle. Stadtdirektor Mackensen weiß zu berichten, daß Garlstedt eine besonders teurer Standort ist, da im Vergleich zu den großen Standorten im Süden und Südwesten der Bundesrepublik für relativ wenige Soldaten eine komplette Standortinfrastruktur unterhalten werden muß.
Doch wann es soweit ist, weiß auch der Osterholzer Stadtdirektor nicht abzuschätzen. Mackensen: „Wir sind damals als letztes davon unterrichtet worden, daß die Kaserne kommt. Wahrscheinlich geht es diesmal ähnlich.“ Doch zunächst darf sich Garlstedt auf ein kleines Jubiläum freuen: Am Montag wird zum zehnten Mal gegen die Hölle auf Rädern ostermarschiert.
hbk
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