: Aufrechter Journalist
■ betr.: "Unter Linden", taz vom 7.4.90
betr.: „Unter Linden“, taz vom 7.4.90
Lange und ungeduldig haben wir darauf gewartet. Jetzt endlich wissen wir es, dank Arno Widmann's monatelangen Recherchen: Christa Wolf und Stefan Heym gebärden sich wie fanatische Vegetarier und sind Eigenheimbesitzer, bedienen sich Taschenspielertricks, appellieren an Instinkte, führen grobschlächtig hinters Licht, lügen faustdick, sind unfähig zu trauern und zuguterletzt noch mörderische Kumpanen.
(...) Dafür liefert uns der aufrechte taz-Journalist ein glänzendes Beispiel deutscher Vergangenheitsbewältigung. Sein historisch versierter Blick belegt: schon 1953 entlarvte sich Heym als Arbeiterfeind, schon 1968 entpuppte sich Christa Wolf mit ihrem Ja zur DDR-Verfassung und ihrem Bekenntnis zur sozialistischen Gesellschaft als Volkstyrannin.
Was Wunder dann, daß Egon Krenz im Dezember 89 den Aufruf der beiden Anzettler unterschrieb. Da haben wir sie wieder, die altbekannte „mörderische Kumpanei“.
Was folgt aus dieser Glanzstunde deutschen Journalistenhandwerks?
Ein Gemeinschaftsprojekt (Kulturrevolution?) integrer Journalisten von taz und Spiegel, FAZ und BILD wäre Gebot der Stunde! Warum unnötig Kräfte verzetteln? Gmeinsam seid ihr stärker. - Hoch lebe die deutsche Solidarität!
Thomas Pfister, Tübingen
(...) Widmann (...) hält den Autoren, vor allem Heym, allerlei vor, was diese gesagt hätten, was jedoch nicht im Aufruf steht, und verrührt alles zu einer dollen Mixtur, die er mit seinem Hohelied auf den schlichten Materialismus des „Volkes“ fein anreichert. Am Ende weiß niemand mehr, was er eigentlich warum kritisiert: Die Autoren des Aufrufs, ihre Irrtümer, ihre Vergangenheit oder sonst etwas. (...)
Klaus W. Kowol, Gummersbach
Die Quantität von Widmanns „Unfreundlichem“ zu Christa Wolf und Stefan Heym fiel mir unangenehm auf: Es ist billig, Christa Wolfs „Ausbeutungs-Ende“ von 1968 zu zitieren (...), denn wenn man die „Dimension des Autors“ und „Ansprachen“ je chronologisch liest, ist die wachsende kritische Auseinandersetzung mit dem zunächst als gut Beschworenen deutlich zu sehen. Es ist billig und bequem, nach Widmanns Art vom Westen her anmaßend „herumzufuchteln“. Dümmlich und beschämend ist das angesichts der über 40jährigen Lebens und Identitätskämpfe derer, die ihr Land dort hatten/haben, mit einer anderen Variante von Reglementierung. „Für unser Land“ BRD schäme ich mich aller Zwänge, erhoffe ich mehr Menschlichkeit und Lebbares; denn in „unserem Land“, das einen Teil der gemeinsamen deutschen Geschichte trägt, werden zum Beispiel 1.200 Polizisten gegen 150 Roma auf die „Jagd“ geschickt (taz vom 7.4.). Das ist „unser“ Land, Arno Widmann, und auf dieses haben wir mit dem Finger zu zeigen, zu allererst.
Widmann scheint sich hier aus der Geschichte und aus der Verantwortung stehlen zu wollen: Das Possesivpronomen „unser„ bezeichnet hier den Besitz von Verantwortung, mindestens per Aufruf zum „Noch können wir uns besinnen“ (Christa Wolf, 12/89). Daß dieser Aufruf letztlich vergebens war, macht mich um so ergriffener. Unsere FreundInnen sind es, die da zerbrechen können.
Sibylle Jester-Schmidt, Detmold
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