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Prozeß gegen Rekrutenschinder

Nach Schikanen starb ein 19jähriger spanischer Soldat Ein Schlaglicht auf die Zustände in der spanischen Armee  ■  Aus Madrid Antje Bauer

Der 1.September 1988 war ein feuchter, heißer Tag in der spanischen Stadt Valencia. Der Gefreite Jose Manuel Jimenez ließ die Rekruten der Kaserne trainieren. Nach zwei Stunden machte der erste schlapp. Es war der 19jährige Francisco Fernandez. Den hatte der Gefreite schon länger auf dem Kieker. „Schwein, widerlicher Fettsack“ hatte er ihn schon bei anderen Übungen genannt, die der Rekrut aufgrund seiner Leibesfülle nur mit Mühe bewältigt hatte. Auf Geheiß des Gefreiten Jimenez ergriff ein Hilfssoldat die Beine des Rekruten und schleifte ihn durch den Sand, bis dieser das Training wieder aufnahm. Kurz darauf meldete Francisco Fernandez, ihm sei schwindlig, worauf der Gefreite ihn schüttelte, ihn in den Magen schlug und ihn schließlich am Hosenbund zu einer Toilette schleifte, wo er seinen Kopf unter den Wasserhahn hielt. Kurz darauf fand der Gefreite sein Opfer in halb bewußtlosem Zustand im Bett liegend vor und befahl ihm, sich zu duschen. Dort fiel der Soldat bewußtlos um und wurde ins Militärkrankenhaus gebracht, wo er am nächsten Morgen starb. Einen „Hitzschlag“ diagnostizierten die Ärzte als Todesursache.

Derartige Fälle von Mißhandlung seien normal, kommentiert dazu Jose Luis Reguera von der „Stelle zur Verteidigung des Soldaten“, einer privaten Vereinigung mit Sitz in Madrid. Fast alle Rekruten würden regelmäßig beschimpft und beleidigt, ein Drittel müsse außerdem Schläge und andere physische Mißhandlungen ertragen. In über 300 Fällen hat die Organisation Klage angestrengt. In den meisten Fällen scheitere die Anklage jedoch an mangelnden belastenden Zeugenaussagen: die Rekruten haben Angst.

Auf die Angst der Soldaten hatte auch der Gefreite gesetzt: „Es hängt von dem ab, was du vor Gericht aussagst, ob du lebend aus der Kaserne kommst“, soll er einem Rekruten gedroht haben, der jetzt im Prozeß gegen Jimenez aussagte. Ein übertriebenes Schuldbewußtsein legte der Angeklagte nicht an den Tag: Er habe die Rekruten häufig als „Schwule“ beschimpft, aber das sei normal bei der Ausbildung, um sie zu größeren Anstrengungen zu bewegen. Auch Strafübungen für Rekruten, die seinen Anforderungen nicht nachkamen, fand der Gefreite Jimenez völlig natürlich.

Der Prozeß wirft ein Schlaglicht auf die Situation in den spanischen Kasernen, die, ohne nennenswerte Resultate, immer wieder angeprangert worden war. Fast 600 Soldaten sind in den vergangenen fünf Jahren während des Militärdienstes umgekommen. Ein Großteil von ihnen nahm sich das Leben. Die Mißhandlungen und Demütigungen gehen nach Auskunft der Vereinigung zumeist auf das Konto von älteren Offizieren, die noch immer das Erbe Francos hüten.

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