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Streit um Potsdamer Platz vorläufig beigelegt

SPD und Alternative Liste fällen Beschluß zur Zukunft der einstigen Drehscheibe in Berlin / Der Regierende Bürgermeister freut sich über die „Jahrhundertentscheidung“ - die AL über deren „Vertagung“ / SPD-Bausenat hält an Optionsvereinbarung mit Daimler-Benz fest  ■  Von Hans-Martin Tillack

Berlin (taz) - Nach wochenlangem Streit fällte der Senat am Dienstag einen Beschluß über die Zukunft des Potsdamer Platzes. Die Nahtstelle zwischen der Ostberliner Stadtmitte und der Westberliner City hatte zunächst einmal die Koalitionspartner SPD und AL entzweit. Berlins Regierender Bürgermeister Walter Momper sprach von einer „Jahrhundertentscheidung“, doch die AL-Fraktion freute sich besonders darüber, daß eine Entscheidung erst mal vertagt wurde. Ein Vertragsentwurf für eine „Optionsvereinbarung“ mit dem Daimler-Benz-Konzern wurde am Dienstag noch nicht verabschiedet.

Die SPD wollte dem Stuttgarter Unternehmen bereits ein Anrecht auf ein über 60.000 Quadratmeter großes Grundstück nahe dem Potsdamer Platz zusichern. Hier soll ab 1992 ein riesiger Bürokomplex für die Zentrale des neuzugründenden Dienstleistungsunternehmens der Daimler-Holding entstehen. Obwohl die Ansiedlungsabsicht des Konzerns bereits seit zwei Monaten bekannt war, hatte sich die AL erst in den letzten Tagen zu Wort gemeldet - mit „Vorbehalten“, die von stadtplanerischen Bedenken bis zu einer grundsätzlichen Abneigung gegen den „Rüstungskonzern“ reichten. Offen wollte sich die AL nicht gegen das Daimler-Projekt aussprechen, wohl aber in öffentlicher Debatte, so ihr Fraktionsgeschäftsführer Wachsmuth, die Ansiedlung noch einmal „problematisiert“ sehen.

In der Behörde von SPD-Bausenator Nagel kündigte man bereits gestern an, den umstrittenen Optionsvertrag in wenigen Wochen erneut in den Senat zu bringen. Es sei „nicht denkbar“, darauf ganz zu verzichten, heißt es dort. Sonst, so die Drohung der Nagel-Mitarbeiter, würde „Daimler-Benz abspringen“. Die AL teilt diese Furcht zwar nicht; doch selbst Michaele Schreyer, die von ihr gestellte Senatorin für Umweltschutz und Stadtentwicklung, mahnte gestern: „Wir brauchen Arbeitsplätze.“ Nach Ansicht des ganzen Senats stellt sich diese Frage heute noch „dringender“ (Schreyer) als vor dem 9. November, weil sich die Stadt nun nicht mehr auf die Nothilfe aus Bonn verlassen kann.

Hinter der eher diffusen Abneigung der AL gegen das Daimler -Vorhaben ging beinahe unter, daß Frau Schreyer eine Reihe von Erfolgen erzielt hatte: So muß sich Daimler-Benz den Vorgaben eines geplanten städtebaulichen Ideenwettbewerbs unterwerfen. Die Stadtplanung habe nun die „Vorherrschaft“, freut sich die Senatorin. Und während Nagel ursprünglich am liebsten schon im März einen konkreten Bauwettbewerb ausschreiben wollte, wird nun bis Ende des Jahres der Ideenwettbewerb vorgeschaltet. Überdies gelang es Schreyer, die von Nagel gewünschte Bebauungsdichte einzuschränken. Auch die von ihr gewünschte „Grüntangente“ zwischen dem großen Tiergarten im Norden und geplanten Parks südlich des Potsdamer Platzes wurde von der SPD nun doch zugestanden.

Die AL-Senatorin hatte diese Kompromisse allerdings nur mit massiven Drohungen durchgepaukt - sowohl gegenüber den Sozialdemokraten als auch gegenüber der eigenen Fraktion. Ihren Rücktritt hätte sie der SPD zwar „nicht explizit“ angedroht, sagte sie. Trotzdem habe sie klargemacht, daß es „Konsequenzen“ hätte, wenn sie von den SPD-SenatorInnen nun auch in ihrem angestammten Ressort überstimmt würde.

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