piwik no script img

Geheimniskrämerei im Nahen Osten

■ Spekulationen um Geiselfreilassung im Libanon gehen weiter / Rätselraten um angeblichen Waffenschmuggel in den Irak

Berlin (taz) - Das französisch-libysche Zusammenspiel, das zu der Freilassung von Catherine Valente und zwei anderen Geiseln im Libanon führte, gibt den Nahost-Beobachtern weiterhin Rätsel auf. Alle angenommenen Fakten werden inzwischen in Frage gestellt. Wurde Frau Valente wirklich 1987 entführt oder schon 1985? Geschah die Entführung vor Libyen, Malta oder dem Libanon? Ist ihre jetzt freigekommene Tochter zwei oder vier Jahre alt? Waren die drei überhaupt in Geiselhaft oder lebten sie friedlich in einer eigenen Wohnung? Und hielten sie sich in Libyen, Libanon oder gar in Syrien auf? Die Spekulationen überschlagen sich.

Währenddessen stehen die Freigekommenen weiterhin unter Polizeischutz. Geheimdienstbeamte verhindern jeglichen Kontakt zur Öffentlichkeit.

Die französische Öffentlichkeit will auch immer lauter wissen, wie und zu welchem Preis denn die Freilassung ausgehandelt wurde. Als Außenminister Dumas am Donnerstag behauptete, eigentlich sei die ganze Sache über die Regierungen Ägyptens, Algeriens und Marokkos gelaufen, und Mitterrand an die drei Hauptstädte Dankestelegramme schickte, sprachen die Zeitungen von einer „nicht länger haltbaren Inszenierung“. Man will endlich die Wahrheit wissen.

Da die Nahostdiplomatie größtenteils von Desinformation gekennzeichnet ist, wird dies schwierig sein. Wenn der Pariser 'Figaro‘ zu wissen meint, der berüchtigte Führer des Fatah-Revolutionsrates Abu Nidal sei schwerkrank und zwischen 1986 und März 1990 in Libyen inhaftiert, und sich dabei auf den französischen Geheimdienst DST beruft, ist dies kaum ernst zu nehmen.

Wenn aus Großbritannien gemeldet wird, man habe das längste Kanonenrohr aller Zeiten im Hafen von Middlesborough sicherstellen lassen, da es nach Irak geliefert werden sollte, ist dies ebenfalls mit Vorsicht zu genießen. Es handele sich in Wirklichkeit um ein Teil einer Ölleitung, erklärte die Herstellerfirma. Das Rohr ist 40 Meter lang, wiegt 140 Tonnen und hat einen Durchmesser von einem Meter. Der britische Zoll erklärte, der Export solcher Rohre sei verboten. Sie könnten zum Abfeuern chemischer Waffen in Richtung Israel benutzt werden.

Es scheint jedoch inzwischen, daß die Phantasie britischer Geheimdienstler diesmal etwas durchgedreht ist.

D.J.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen