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Bitte unvermummt!

■ Volkspolizei-Gewerkschaft will Vermummungsverbot - die taz empfiehlt ein Verbot auf das eigene Gesicht

Die Deutsche Volkspolizei-Gewerkschaft in der DDR hat ein Vermummungsverbot für randalierende Demonstranten gefordert. Es soll als Ergänzung in den Paragraphen 212 des DDR -Strafgesetzbuches aufgenommen werden, der die strafrechtlichen Folgen bei Widerstand gegen die Staatsgewalt zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit regelt. Dadurch solle das Bemühen der Polizei unterstützt werden, Leben und Gesundheit sowohl der Bürger als auch der Polizisten zu schützen.

dpa

Vereinigung? Gern! Jederzeit! Besser, ein blödes Volk als zwei nebeneinander! Aber bitte unvermummt in Ost und West! Man wunderte sich schon ein bißchen, daß die Deutsche Volkspolizei-Gewerkschaft nicht eher daran gedacht hat, ein „Vermummungsverbot für randalierende Demonstranten“ zu fordern. Der Paragraph, dem die neue Bestimmung zugeschlagen werden soll, ist Oppositionellen noch als Unterdrückungsinstrument der alten SED-Regierung bestens in Erinnerung: §212 Strafgesetzbuch, „Widerstand gegen die Staatsgewalt“. Natürlich sollen mit der Neureglung Ordnung und Sicherheit aufrechterhalten werden (wer hat denn nicht schon mal gedacht, daß beispielsweise die sog. „Haßkappen“ immer ein bißchen unordentlich, fast schlampig wirken) aber ein Meisterwerk neudemokratischer Humoristik ist erst die Begründung der VoPo-Gewerkschaft: Die Gesundheit sowohl der Bürger als auch der Polizisten soll geschützt werden! Sicher, Vermummungen mit unzureichender Luftdurchlässigkeit können den Teint schädigen - man fragt sich, ob die leicht quärkernde gesichtsfarbe vieler DDR-Bürger womöglich auf konspirative Vermummungstestreihen zurückzuführen ist. Konspirativ müssen sie wohl gewesen sein - denn im Fernsehen, auf Fotos oder gar in miterlebter Wirklichkeit hat man ja bisher unter DDRlern und -lerInnen nicht eine(n) einzige(n) Vermummte(n) sehen können.

Wenn allerdings unsere künftigen Ostprovinzen auch vermummungstechnisch Weltniveau erreichen wollen, reicht die vorgeschlagene neue Bestimmung nicht aus. Zuerst müssen, zur Erhaltung der DDR-Restidentität, überhaupt DDR-eigene Vermummungen produziert werden. Die Randalierer -Identifizierung macht wenig Scherereien: Wer vermummt ist, kann als erwiesener Randalierer „zugeführt“ werden. Irrtümer sind allerdings unvermeidlich: Manch einer trägt sein Gesicht so, daß es das ungeübte Volkspolizisten-Auge gar nicht von einer hinterlistig-strafwürdigen Vermummung unterscheiden kann. Für diese Fälle ist der Landfriedensbruch-Paragraph gleich miteinzuführen; andere Neuerungen sind denkbar. Restpersonalbestände ehemaliger West-Berliner Spezialeinheiten stehen auf Wunsch gerne beratend zur Verfügung. Auf lange Sicht ist allerdings in Erwägung zu ziehen, ob nicht prinzipiell das Recht aufs eigene Gesicht eingeschränkt werden müßte. Die Gesichter derer jedenfalls, die jetzt im Osten - nach glücklich überstandenen Monaten der Anarchie - den alten Terror unter neuer Flagge wieder einführen wollen - diese Gesichter kennt man ohnehin auswendig.

Klaus Nothnagel

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