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Erneuter Versuch einer Ausgrenzung

Wann verlassen Bürgerbewegungen den Weg der„Reinen Lehre“?  ■  Von Olaf Kampmann

Immerhin fünfzehntausend waren es ja noch, die man in (Groß -)Berlin auf die Beine gebracht hatte. Und seltsam - niemand mußte, bevor er sich in den Demonstrationszug einreihte, nachweisen, ob er nicht vielleicht doch der PDS oder FDJ angehörte. Das schien ja nach dem schier unerträglichem Hick -hack um die Aufrufs-Unterzeichnung wohl nicht mehr ausgeschlossen zu sein. Erst hieß es, Konrad Weiß spricht, dann spricht er nicht - zum Schluß dann sagte die gesamte „Demokratie Jetzt„-Bewegung ihre Teilnahme ab; bei der SPD war bis kurz vor Schluß ein eindeutiges Janeinjaneinja zu vernehmen, und auf der Kundgebung schließlich konnte es sich Petra Morawe vom Neuen Forum nicht verkneifen, auch noch mal in dieselbe Kerbe zu hauen: Die böse PDS (FDJ) hätte kein Recht, auf dieser Demonstration ihre Stimme zu erheben. Ja, wer um alles in der Welt bestimmt das eigentlich?

Während sich Allianzen jeglicher Couleur frischfröhlich und unbekümmert ob etwaiger (Wahl-)Aussagen zusammenschließen, um ein Stückchen vom großen Machtkuchen abzubekommen, zerfleischt sich die Linke in geradezu wollüstiger Manier gegenseitig. Sicher - die PDS hat an der Erblast der SED schwer zu tragen, die wird ihr niemand abnehmen - auch fürderhin nicht. Doch während man sich beispielsweise in den Führungsetagen der SPD einen feuchten Dreck darum schert, wie groß denn die Mitschuld der CDU oder LDP am DDR-Desaster ist, und munter mit ihr kopu... - pardon - koaliert, scheint sich auf der Linken wieder so etwas wie die „Reine Lehre“ zu etablieren.

Die Ostermarschbewegung ist von ihrer Geschichte her stets eine die Grenzen parteipolitischer Dogmen sprengende Aktion von Kriegs- und Rüstungsgegnern gewesen. Weder Herr Weiß noch das Neue Forum, niemand hat das Recht, eine Gruppierung aus ihr auszugrenzen. Wer das tut, schadet dem Anliegen dieses Marsches und damit letztendlich sich selbst.

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